Friedenspreis

Festakt auf Distanz

28. August 2020
Sabine Cronau

Gäste mit Mundschutz und viele leere Plätze: Martin Schult, beim Börsenverein Leiter der Friedenspreis-Geschäftsstelle (auf dem Bild mit Mitarbeiterin Katrin von Boltenstern), über eine Preisverleihung unter Corona-Bedingungen.

Friedenspreis 2020: Läuft alles wie gewohnt – oder wird auch hier durch Corona alles anders?
Wir haben zu Beginn der Pandemie verschiedene Szenarien durchgespielt, ob und in welcher Form der Friedenspreis stattfinden könnte. Mitte Mai stand fest, dass eine Verleihung in der Paulskirche und die Live-Übertragung durch die ARD möglich ist, notfalls auch ohne Publikum. Im Juni haben wir dann auf Grundlage der Hygienemaßnahmen der Stadt Frankfurt ein Konzept erstellt, das es uns erlaubt, auch Gäste in die Paulskirche zu lassen – natürlich nur sehr wenige. Wir möchten jedes Risiko vermeiden. 

Durch die Maskenpflicht sehen wir sicher ungewohnte Bilder vom Festakt ...
Ja, natürlich, aber das gehört zu dieser Zeit dazu. Die Vorgaben des Gesundheitsamts erlauben es jedoch, dass man durch die Abstandsregeln die Maske am Sitzplatz abnehmen darf. Auch in der ersten Reihe werden der Laudator, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und unser Preisträger Amartya Sen weit voneinander entfernt sitzen. Das wird tatsächlich ungewohnt aussehen, schließlich hat es im Fern­sehen seit Monaten so gut wie keine Veranstaltung dieser Art gegeben. 

Amartya Sen ist Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph. Warum lohnt es sich für Buchhandlungen jeder Größe und Ausrichtung, einen Büchertisch mit seinen Werken zu bestücken?
In seinen Büchern, auch in den älteren, finden sich Analysen und Antworten zu vielen wichtigen Fragen der heutigen Zeit – soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Gleichberechtigung, Demokratie und Menschenrechte, Identitätsfragen und kulturelle Konflikte. Der Stiftungsrat war davon beeindruckt, wie Sen es versteht, seine wirtschafts-wissenschaftlichen Analysen auch für philosophische Betrachtungen zu nutzen – verbunden mit einem humanistischen Verständnis, das in der aktuellen Situation, in der man den Eindruck bekommt, dass die Lautstärke mehr Gehör findet als das Argument, wohltuend und wichtig ist.  

Wie kann die Branche den Preis in diesem besonderen Jahr unterstützen?
Die Verlage haben erkannt, wie wichtig es ist, Amartya Sens Werk dem deutschsprachigen Publikum nahezubringen. C. H. Beck plant Neuausgaben und veröffentlicht im Oktober ein neues Buch über die Möglichkeiten, eine gerechte Welt zu erschaffen. Reclam publiziert zwei weitere wichtige Vorträge, und auch Hanser legt ein vor 20 Jahren erschienenes Werk über ökonomische Ungleichheit noch einmal neu auf, da es weiterhin hochaktuell ist. Wir haben wie in den Jahren zuvor ein Lesezeichen und einen Infoflyer produziert, der sich auch als Plakat verwenden lässt. Beides können Buchhändler*innen kostenlos bei uns bestellen und an Kunden weitergeben.

Sorge oder Vorfreude: Was überwiegt im Corona-Jahr beim Friedenspreisteam?
Unser Konzept beinhaltet die Möglichkeit, auf die aktuellen Entwicklungen der Pandemie schnell reagieren zu können. Katrin von Boltenstern und ich haben uns darauf eingelassen, mit Corona zu leben und uns nicht dagegenzustemmen, was ja auch gar nicht geht. Dadurch kommt tatsächlich immer mehr Vorfreude auf, weil auch der Preisträger und sein Laudator angekündigt haben, an diesem Buchmesse-Sonntag keine sogenannten Sonntagsreden zu halten, sondern Debatten anzustoßen, die für unsere Gesellschaft auch über ihre Grenzen hinaus wichtig sind. Dafür lohnt es sich, dass wir uns vorher so weit wie möglich in eine Art Quarantäne begeben, damit sich alle Beteiligten, und im Besonderen unser 86-jähriger Preisträger, gut aufgehoben fühlen.

 

Friedenspreis 2020

  • Lesezeichen und Plakat liegen der Börsenblatt-Ausgabe 35/2020 bei.
  • Kostenfreie Nachbestellungen sind möglich unter www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de.
  • Der Festakt findet am 18. Oktober in der Frankfurter Paulskirche statt, nur mit wenigen Gästen. Die ARD überträgt die Veranstaltung ab 11 Uhr live im Fernsehen.