Interview zum Agreement im Insolvenzfall sova

"Es hätte zu Folgeinsolvenzen kommen können"

21. Dezember 2022
Michael Roesler-Graichen

Eine Vereinbarung zwischen sova, vorläufiger Insolvenzverwaltung, der Werkstatt VA und den betroffenen Verlagen wendet das Schlimmste ab. Die Räumung der Buchbestände und die Realisierung der offenen Forderungen kann fortgeführt werden. Interview mit Julia Kappel-Gnirs (hww), Bernd Weidmann (Die Werkstatt VA) und Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins.

Die sova GmbH und die Kanzlei hww haben unter Vermittlung des Börsenvereins mit der Werkstatt VA in Rastede eine Fortführungsvereinbarung getroffen, die den von der sova ausgelieferten und durch die Insolvenz betroffenen Verlage finanzielle Garantien gewährt. Was wäre passiert, wenn die Werkstatt VA keinen Überbrückungskredit gewähren würde?
Kappel-Gnirs: Da spätestens mit der Insolvenzanmeldung der Geschäftsbetrieb bei der sova vollständig zum Erliegen kam, hätten die dort lagernden Buchbestände, die Eigentum der Verlage sind, nicht an die Werkstatt VA überführt werden können. Im schlimmsten Falle hätte dies zu einer längeren Unterbrechung der Geschäftstätigkeit der Verlage führen können, mit der möglichen Folge, dass es bei diesen zu Anschlussinsolvenzen gekommen wäre. So aber können laufende Kosten für Energie, Heizung und Internet bezahlt werden, so dass wir die Überführung der Warenbestände an die Werkstatt VA weiter ermöglichen können. Der zweite Punkt ist, dass jetzt in einem strukturierten Verfahren die noch offenen Forderungen der sova bzw. der Verlage gegenüber dem Buchhandel geltend gemacht werden können.

Bis wann soll die Räumung des sova-Buchlagers abgeschlossen sein?
Kappel-Gnirs: Wir rechnen damit, dass dieser Prozess bis Ende Januar 2023 abgeschlossen sein wird. Im November lagerten in Maintal noch rund eine Million Bücher.

Sind die insgesamt 45 Verlage, von denen allein 34 zur Werkstatt VA wechseln, unterschiedlich betroffen?
Sprang: Die sova hatte im Hinblick auf ein geordnetes Auslaufen des Geschäftsbetriebs zum Jahresende bereits im Sommer dieses Jahres mit der Räumung begonnen. Während einige Verlage bereits frühzeitig umgezogen waren, hatten andere noch riesige Mengen auf Lager. Vor allem diese Verlage waren nun akut gefährdet.

Weidmann: Dass die sova bei Insolvenzanmeldung über eine sehr geringe Liquidität verfügte, war eine katastrophale Ausgangslage. Die notwendige Räumung hätte aus eigenen Mitteln nicht weiter bezahlt werden können.

Wie hoch sind denn die Forderungen der sova gegenüber dem Buchhandel, und wie sollen sie realisiert werden?
Kappel-Gnirs: Die Forderungen belaufen sich auf mehrere Hunderttausend Euro und können jetzt zentral von uns auf ein Sonderkonto eingezogen werden. Dabei ist es wichtig, dass Buchhandlungen und Zwischenbuchhändler ihre noch offenen Rechnungen so schnell wie möglich begleichen, damit das Geld den Verlagen möglichst schnell zugutekommen kann. Sobald die Insolvenz eröffnet ist, können wir mit den Verlagen die offenen Ansprüche gegenüber der sova abrechnen und an sie bis zu 90 Prozent – je nach Höhe deren Ansprüchen der sova gegenüber – auskehren. Zehn Prozent der Summe dienen als Beitrag zur Kostendeckung. Mit der jetzt getroffenen Vereinbarung konnten wir die kritische Phase so kurz wie möglich halten.

Mit der jetzt getroffenen Vereinbarung konnten wir die kritische Phase so kurz wie möglich halten.

Julia Kappel-Gnirs, hww

Zur Fortführung des sova-Betriebs und der weiteren Räumung des Buchlagers ist die Werkstatt VA in Vorlage getreten. Wie sollen die Verlage an den Kosten beteiligt werden?
Weidmann: Wir haben einen Verteilungsschlüssel gefunden, der sich nach dem Jahresumsatz und der in den letzten sechs Monaten transportierten Tonnage richtet, und daraus den Kostenanteil für die Verlage ermittelt. Dieser Anteil fließt dann an uns zurück.

Welche Lehre kann man aus der sova-Insolvenz ziehen?
Weidmann: Wir erleben derzeit das Ausscheiden einer Verlagsauslieferung aus dem Markt verbunden mit einer Insolvenz, soweit ich weiß das erste Mal. Ich sehe da ein systemisches Risiko, vor allem für kleine, unabhängige Verlage. Die Buchverkäufe dieser Verlage werden von den Auslieferungen nicht einzeln, sondern gebündelt fakturiert. Bei mittleren und großen Verlagen ist das anders, dort wird auf Konto des Verlages fakturiert und somit ist ein Verlust der Forderungen an den Handel ausgeschlossen. Die Risiken der gebündelten Faktura sehen wir nun zum ersten Mal. Mit dieser Frage müssen sich die Branche und vor allem die betroffenen Verlage intensiv beschäftigen, Risiken prüfen und nach Lösungen suchen. Das lehrt uns der Fall sova.

Sprang: Man muss sich immer die vertraglichen Regelungen, die die Sicherung der Ware betreffen, im Einzelfall ansehen. Im aktuellen Fall werden die Verlage hoffentlich durchweg glimpflich davonkommen.

Neben allen rechtlichen und ökonomischen Aspekten hat die Insolvenz der sova auch eine kulturelle Dimension …
Sprang: Die jetzt getroffene Vereinbarung hat eine kulturelle Katastrophe für die linke Verlagsszene abgewendet. Ganz gleich wie man zu den Inhalten stehen mag: Es hätte ohne unser aller Eingreifen ein bedeutsamer Teil des politischen Spektrums in der Buchlandschaft verlorengehen können. Das konnte verhindert werden, weil alle an einem Strang gezogen haben.