Eine Pandemie spielte auch in der Dankesrede des Preisträgers eine Rolle – aber ihm ging es um eine andere Krankheit: "Die Welt ist heute mit einer Pandemie des Autoritarismus konfrontiert, die das menschliche Leben auf je unterschiedliche, aber zusammenhängende Weise in Mitleidenschaft zieht.“
Es gebe immer mehr Länder, in denen autoritäre Entwicklungen "die Freiheit zu widersprechen" schwieriger, oft viel schwieriger, machen würden als früher: "Die repressiven Tendenzen in vielen Ländern der heutigen Welt – insbesondere in Asien, in Europa, in Lateinamerika und innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika – geben Anlass zur Sorge", so Sen: "Mein eigenes Land, Indien, gehört ebenfalls in diesen beklagenswerten Korb.“
Sen mahnte eindringlich vor nationalem Kleingeist: „Angesichts unserer globalen Verbindungen und der Bedeutung unseres gemeinsamen Menschseins gibt es allen Grund, uns nicht nur um unser eigenes Land, sondern auch um andere ernsthaft Sorgen zu machen und uns für Probleme überall auf der Welt zu interessieren.“, betonte der Friedenspreisträger, für den die Demokratie der Schlüssel zu einer besseren, gerechteren Zukunft ist.
Der Autoritarismus, so Sen weiter, verhänge direkte Strafen gegen Menschen; dazu gehörten die Verletzung der persönlichen Freiheit und der politischen Freiheitsrechte: „Darüber hinaus aber hängt der soziale Fortschritt in hohem Maße von menschlicher Kooperation ab, und eine Spaltung der Gesellschaft durch autokratische Asymmetrien und durch die Verfolgung missliebiger Gruppen kann die gemeinsame Arbeit für den Fortschritt um ein Vielfaches schwieriger machen.“
Der notwendige Widerstand gegen die Pandemie des Autoritarismus könne auf vielerlei Art erfolgen, „aber mehr Lesen, mehr Reden, mehr Streiten sollten ohne Zweifel Teil dessen sein, was Immanuel Kant so formuliert hat: `Der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muss jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zustande bringen.´“
Sen erinnerte auch daran, dass der Widerstand gegen politische Tyrannei beseelt sei von Ideen und von Büchern. „Für Martin Luther King konnte das – genauso wie für die jungen Studentenführer heute – nur ein gewaltloser Prozess sein. Er ist auch der Weg zu dauerhaftem Frieden.“