Zu Beginn dieses Jahres, Covid-19 war noch weit weg, hielt Karin Schmidt-Friderichs auf der Jahrestagung der IG Belletristik und Sachbuch in München ihre erste öffentliche Rede als neue Vorsteherin des Börsenvereins. Wie es ihre Art ist, ging sie gleich im ersten Satz aufs Ganze: »Zum Jahreswechsel habe ich mich gefragt, was wäre, wenn wir alle immer nur Jahresverträge hätten, wenn wir uns alle fragen müssten und fragen würden, ob wir uns auf die Stelle, die wir gerade innehaben, wieder bewerben wollen. Auf diese Stelle. In diesem Unternehmen. In dieser Branche.«
Sie sprach über die Notwendigkeit, nach vorn zu denken, jeder für sich und Teams und Unternehmen miteinander, um Menschen aller Altersgruppen fürs Buch zu gewinnen, und von der Notwendigkeit, immer mal wieder innezuhalten für »eine Inventur des Wissens, des Wesens und der Werte«. Die Ansprache war ein Plädoyer und eine Einladung – dazu, sich fürs Lesen, die Bücher und unsere Branche reflektiert zu begeistern, immer wieder aufs Neue, und das am besten gemeinsam.
Die Rede bringt für mich vieles zum Ausdruck, was Karin Schmidt-Friderichs auszeichnet. Form und Inhalt, Äußeres und Inneres gehören für die ehemalige Architektin, die als junge Frau unter anderem bei dem bekannten Fotografen F. C. Gundlach ihren Blick schulte, untrennbar zusammen.
Die Überzeugung, dass die passende Form dem Inhalt sein eigentliches Gewicht verleiht, dass die Gestaltung und Haptik eines Einbands und die Eleganz einer Typo unmittelbar auf den Eindruck des Geschriebenen wirkt, leitet sie auch als Verlegerin des 1992 von ihr und ihrem Mann Bertram Schmidt-Friderichs in Mainz gegründeten Hermann Schmidt Verlags. Jedes der kleinen, feinen Programme zeugt von der gemeinsamen Leidenschaft für Vielfalt mit Sorgfalt, von ihrem Möglichkeitssinn und seinem Blick fürs Detail. Hier erscheinen keine Reihen, sondern Buchindividuen. Im Verlag Hermann Schmidt werden Bücher als »Slow Food« fürs Hirn verstanden, als Liebeserklärungen an die Leser.