Der Münchner Hanser Verlag ist mit vier Titeln in unseren Belletristikcharts (Hardcover) vertreten – darunter zwei Neueinsteiger.
Platz 1 holt sich in der vierten Woche in den Charts (Vorwoche: Platz 9) die französische Schriftstellerin Yasmina Reza ("Der Gott des Gemetzels") mit "Serge" (Hanser; ET: 24. Januar; Ü: Frank Heibert, Hinrich Schmidt-Henkel), ihrem Roman über eine jüdische Familie, die nach dem Tod der Mutter bzw. Großmutter Auschwitz besucht. Es sei "das Buch des Frühjahrs und ein existenzieller Donnerschlag", urteile etwa Eva Menasse im "Spiegel". Iris Radisch schrieb in der Zeit: "Ein großartiger, tragikomischer Roman" – um nur zwei der Jubel-Kritiken zu erwähnen, die der Verlag auf seiner Website zitiert.
Es ist bereits das 13. Buch von Yasmina Reza bei Hanser. Die Autorin sei sehr zurückhaltend, was Öffentlichkeit angeht, so der Münchner Verlag, aber diesmal habe es zwei große Interviews in "Zeit" und "SZ" gegeben – neben den erwähnten vielen großartigen Besprechungen. Ihr Thema sei mit unserer Geschichte direkt verknüpft, mit klugen Alltagsbeobachtungen und viel Witz, aber auch Respektlosigkeit. Als Theaterautorin habe sie ein exzellentes Timing für Dialoge. Es seien 70.000 Exemplare ausgeliefert.
Nun zu den beiden Hanser-Neueinsteigern: Auf Platz 5 beginnt der türkische Autor, Friedenspreisträger (2005) und Literaturnobelpreisträger (2006) Orhan Pamuk und "Die Nächte der Pest" (Hanser; ET: 14. Februar; Ü: Gerhard Meier). Pamuk liefere einen "großen historischen Pandemie-Roman", titelt Dirk Fuhrig seine Rezension bei Deutschlandfunkkultur. Er schildere die "Auswirkungen einer Seuche auf Politik und Gesellschaft detailreich, packend und wirklichkeitsnah". Die Handlung spielt 1901 auf der Insel Minger, die unter osmanischer Herrschaft steht. Die Pest bricht aus, Muslime und Christen beschuldigen sich gegenseitig. Dann starten das Osmanische Reich, England und Frankreich eine Seeblockade. Die Insulaner müssen allein gegen die Ausbreitung der Seuche kämpfen.
Man hat schon vor gut zehn Jahren über das Projekt gesprochen, so Hanser auf Anfrage, Pamuk wollte über die dritte Pest-Epidemie um 1900 schreiben, die in West-Europa keine Rolle mehr gespielt habe. 2016 hat er mit dem Schreiben begonnen, 2020 wurde er dann von der Realität, der Corona-Pandemie, überrascht. Insofern sei sein Buch auch ein Spiegel in die Gegenwart. Im Handel seien circa 30.000 Exemplare, aber man druckt schon nach.
- Im März kommt Pamuk auf Lesereise nach Deutschland: Termine
Auf Platz 12 reiht sich "Dschinns" (Hanser; ET: 14. Februar) von Fatma Aydemir. Ihr zweiter Roman nach ihrem preisgekrönten Debüt "Ellbogen" (Hanser 2017). Es ist eine deutsch-türkische Familiengeschichte: Hüseyin, der 30 Jahre in Deutschland gearbeitet hat, kauft sich eine Eigentumswohnung in Istanbul – und am Einzugstag erliegt er einem Herzinfarkt. Zur Beerdigung kommt seine Familie aus Deutschland, sechs grundverschiedene Menschen, aus deren jeweiliger Perspektive erzählt wird. In einem Interview auf der Verlagswebsite erklärt Aydemir, warum die Handlung 1999 spielt: "Für mich sind das die Jahre, die in Deutschland von der Allgegenwärtigkeit rechter Gewalt geprägt war, und in der Türkei von Massakern. Die Strukturen, die sich in den neunziger Jahren gebildet haben, reichen bis ins Heute." Und was hat es mit dem Titel auf sich? "Im islamischen Glauben ist der Dschinn ein Lebewesen, das gemeinsam mit den Menschen die Welt bevölkert, aber unsichtbar bleibt." Im Volksglauben eine Art böser Geist. Für sie sei es als ästhetisches Motiv interessant: als diffuse Angst, die sich nie vollständig greifen und aussprechen lasse.
Lektor Florian Kessler ist der Anfang von "Ellbogen", dem ersten Roman Aydemir, damals über Bekannte zugespielt worden, und er hatte sich sofort verliebt in den Text. Von Anfang an sei klar gewesen, dass sie eine aufregende neue Stimme ist – das habe sie mit "Dschinn" eingelöst. Hanser ist mit 25.000 Exemplaren im Handel, so Presseleiterin Christina Knecht. Wie von "Ellbogen" werde es auch von "Dschinn" eine Theateradaption geben.
Vierter Hanser-Titel, seit vier Wochen in den Belletristik-Hardcovercharts, ist Monika Helfers "Löwenherz" (ET: 24. Januar) auf Platz 16 (Vorwoche: 12). Mit ihren autofiktionalen Erinnerungen (davor bereits "Bagage" und "Vati") habe sie sich eine große Leserschaft erschrieben. Von "Löwenherz" seien über 50.000 Exemplare draußen.
Auf den Erfolg, dazu zählt etwa auch Navid Kermani (Platz 2 beim Sachbuch), will man morgen mit Schal, Mantel und natürlich Abstand im Verlagsgarten bei einer internen Pop-up-Feier mit Verlagssekt begleitet von Krapfen anstoßen, verrät Christina Knecht.