Buchcharts – die aktuellen Bestsellerlisten

Bill Gates löst Barack Obama ab

24. Februar 2021
Matthias Glatthor

Von Null auf Platz 1: Microsoft-Gründer Bill Gates löst Barack Obama, die Nummer 1 der letzten Wochen, an der Spitze der Sachbuch-Charts (HC) ab. Bei der Belletristik steigen die weiteren Bände von Tove Ditlevsens "Kopenhagen-Trilogie" neu ein – und eine Handvoll Insel-Krimis. In den Sachbuchlisten finden sich zudem beachtenswerte Titel zu Emanzipation, Gender, Rassismus und Antisemitismus. Einblicke in die aktuellen Wochencharts auf Börsenblatt online.

Die Wochencharts auf Börsenblatt Online

Ermittlungszeitraum: 15. bis 21. Februar 2021

Belletristik: Dreimal Ditlevesen

Die Spitze der Hardcover-Charts hält wie in der Vorwoche Dirk Rossmanns "Der neunte Arm des Oktopus" (Lübbe), der Titel ist mittlerweile seit 13 Wochen in unseren Charts. Auf den zweiten Platz rückt "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" (dtv) von Alena Schröder vor (Vorwoche: Platz 4).

Eine Wiederentdeckung zum Jahresanfang ist sicher die autofiktionale Trilogie der dänischen Autorin Tove Ditlevsen über ihre Kindheit und Jugend in den 1920er und 1930er Jahren in Kopenhagen – auf Deutsch erschienen bei Aufbau (Originalausgaben: 1967, 1971). Band 1 "Kindheit" kam im Januar heraus und liegt aktuell auf Platz 13 (Vorwoche: 17), neu in die Charts rücken nun die beiden anderen Bände: "Jugend"  (Platz 17) und "Abhängigkeit" (Platz 23).

Nachgefragt dazu beim Aufbau-Verlag:

"Wir haben die Rechte im Herbst 2019 beim dänischen Verlag Gyldendal gekauft", erläutert Lektorin Friederike Schilbach gegenüber Börsenblatt online. "Wir hatten den Eindruck, dass jetzt der richtige Moment für eine Veröffentlichung sein könnte, weil es einen großen Hunger nach persönlichen Lebensgeschichten gibt." Inzwischen würden mehr und mehr autofiktionale Texte veröffentlicht, die ausgehend von Persönlichem etwas Größeres erzählen. "Und Tove Ditlevsen hat Autofiktion quasi schon avant la lettre geschrieben, bevor es den Begriff überhaupt gab."

Die Startauflage von "Kindheit" lag bei 10.000 Exemplaren, so Presseleiterin Silke Ohlenforst, die der anderen Bände bei 8.000. Es musste bereits mehrfach nachgedruckt werden. "Mittlerweile sind wir beim ersten Band in der sechsten Auflage, bei den anderen beiden Bänden in der vierten Auflage." Alle drei Bände wurden von Ursel Allenstein neu ins Deutsche übertragen, wobei  "Kindheit" und "Jugend" erstmals auf Deutsch vorliegen.

Der Verlag hatte den ersten Band am 18. Januar veröffentlicht, die beiden weiteren Bände folgten am 15. Februar. Welches Kalkül stand dahinter? "Wir wollten hier eine Art Sogwirkung erzielen – wie bei einer guten Serie – und wollten den Leser*innen zugleich die Gelegenheit geben, sich erst einmal mit dem ersten Band vertraut zu machen und Tove Ditlevsen als Autorin zu entdecken", erklärt Schilbach. "Trotzdem war es wichtig zu signalisieren, dass die drei Bände auf jeden Fall zusammengehören. So kommen die zwar unterschiedlichen Erscheinungstermine zustande, die jedoch noch nah genug beieinander liegen." Leser*innen, die von Band 1 begeistert waren, würden nun auch Band 2 und 3 kaufen, so die Idee, die sich offenbar bewährt hat.

Wir wollten hier eine Art Sogwirkung erzielen – wie bei einer guten Serie.

Aufbau-Lektorin Friederike Schilbach

Hatte Aufbau auch daran gedacht, alle Teile, die zusammen auf 448 Seiten kommen, in einem Band zu bringen? "Die Überlegungen gingen anfänglich in verschiedene Richtungen. Wir haben alle Möglichkeiten durchgespielt: ein einziger Band, drei Bände im Schuber, Einzelbände. Schließlich haben wir uns für die Einzelbände entschieden, da dies am besten zum schon oben erwähnten Seriencharakter passt, und die Bücher im dänischen Original auch einzeln veröffentlicht wurden", führt Schilbach aus. Natürlich kann so auch der Preis anders gestaltet werden, möchte man ergänzen.

Schließlich noch die Lockdown-Frage: Wie hat Aufbau in der derzeitigen Lage für Sichtbarkeit gesorgt? Die Trilogie habe von Anfang an eine große Fangemeinde gefunden, so Ohlenforst. "Neben den vielen herausragenden Kritiken in der Presse haben wir uns auf Onlinemarketing konzentriert und vor allen Dingen im Bereich soziale Medien auf Sichtbarkeit gesetzt. Hier sind wir verschiedene Kooperationen eingegangen, die sehr gut funktioniert haben. So wurde die klassische Pressearbeit durch die Kommunikation von Bloggern und Influencern ergänzt."

Die weiteren Neulinge bei Belletristik (Hardcover):

  • Platz 18: "Der Rhythmus des Krieges" (Heyne; ET: 15. Februar; Ü: Michael Siefener) von Brandon Sanderson (seine offizielle Fansite: hier). Achter Band der "Sturmlicht-Chroniken". Der Titel ist in den Belletristik-Hardcovercharts auch der Aufsteiger der Woche (plus 52 Plätze).
  • Platz 21: "A Court of Silver Flames" (Bloomsbury Academic; ET: 16. Februar) von Sarah J. Maas. Ein neuer Band ihrer Reihe "A Court of Thorns and Roses", die auf Deutsch bei dtv erscheint ("Das Reich der sieben Höfe"). Die deutsche Ausgabe "Das Reich der sieben Höfe – Silbernes Feuer" kündigt dtv für November 2021 an.
  • Platz 22: "Identitti" (Hanser; ET: 15. Februar) von Mithu M. Sanyal. Ihr Romandebüt greife "mitten hinein in die aktuellen Diskurse über Identitätspolitik und Rassismus", urteilte die "Zeit". Weitere Infos zur Autorin, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin finden sich auf ihrer Website: http://www.sanyal.de/

Reif für die Insel – mit einem Krimi

Das Meer und Inseln sind gerade im Frühjahr Sehnsuchtsorte für viele Kurzurlauber. In diesem Jahr könnte es angesichts der Corona-Krise nichts mit einer Auszeit um Ostern werden. Als Alternative wird offenbar schon jetzt zu passenden Krimis (und Unterhaltungsromanen) mit Insel- oder Küstenflair gegriffen, wie ein Blick auf die Premieren in den Belletristik-Charts vermuten lässt:  

  • Platz 3 (PB): "Das kleine Friesencafé" (Rowohlt Tb.; ET: 16. Februar) von Janne Mommsen (Pseudonym von Volkmar Nebe). Spielt auf Föhr. Der erste Band einer neuen Reihe des Autors der "kleinen Inselbuchhandlung". Kein Krimi.
  • Platz 7 (TB): "Der weiße Heilbutt" (dtv; ET: 19. Februar) von Krischan Koch. Ein Insel-Krimi, der auf Amrum angesiedelt ist. Der neunte Band der Reihe um Thies Detlefsen & Nicole Stappenbek.
  • Platz 12 (TB): "Inspektor Takeda und die stille Schuld" (Aufbau Tb.; ET: 15. Februar) von Henrik Siebold (ebenfalls ein Pseudonym, mehr dazu auf seiner Website). Band 5 der Reihe "Inspektor Takeda ermittelt" – Handlungsort ist zwar nicht die Küste direkt, aber immerhin Hamburg.
  • Platz 17 (TB): "Wenn Wattwürmer weinen" (Rowohlt Tb.; ET: 16. Februar) von Christiane Franke und Cornelia Kuhnert. Ein Ostfriesen-Krimi, bei dem es einen neuen Fall in Neuharlingersiel zu lösen gilt. Der achte Band der Reihe "Henner, Rudi und Rosa".
  • Platz 22 (TB): "Ankermord" (Aufbau; ET: 15. Februar) von Katharina Peters. Ein Rügen-Krimi. Der zehnte Fall für Hauptkommissarin Romy Beccare.
  • Platz 24 (TB): "Blutnebel" (Blanvalet; ET: 15. Februar; Ü: Maike Dörries und Günther Frauenlob) von Thomas Enger und Jørn Lier Horst. Der Thriller führt nach Oslo. Band 2 der Reihe um Kriminalkommissar Alexander Blix und die Journalistin Emma Ramm.

Sachbuch: Bill Gates stürmt auf Platz 1

Fulminanter Start für Bill Gates – er löst Barack Obama, dessen "Ein verheißenes Land" (Penguin) zwölf Wochen an der Spitze der Sachbuch-Charts (Hardcover) stand, ab. Obama muss sich mit Platz 2 begnügen.

Mit "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern" (Piper; ET: 16. Februar; Ü: Karsten Petersen und Hans-Peter Remmler) landet Microsoft-Gründer Bill Gates gleich zweimal in der Hardcover-Liste: Die deutsche Ausgabe springt von Null auf Platz 1, die englischsprachige "How to Avoid a Climate Disaster" (Allen Lane, ein Imprint von Penguin Random House UK), neu auf Platz 11. Das Buch erschien jetzt weltweit gleichzeitig, in den USA etwa bei Knopf, einem Imprint von Penguin Random House. Die Rechte für die deutsche Ausgabe konnte sich allerdings Piper (gehört zu Bonnier Media Deutschland) bereits im September 2019 sichern, wie ist das gelungen? "Das können Ihnen die Amerikaner vermutlich besser sagen, aber wir haben uns in jeder Hinsicht stark für das Buch engagiert.", sagt Verlegerin Felicitas von Lovenberg auf Anfrage. "Das Buch nimmt sich, auf sehr informierte und klare Weise, dem vielleicht wichtigsten Thema unserer Zeit an. Das wollen wir natürlich verlegen." Wer das Buch lese, könne die Augen vor der Seriosität von Thema und Autor nicht verschließen. "Man muss Bill Gates nicht in allen Punkten zustimmen, um zu sehen, dass er die Diskussion auf einen neuen Level hebt."

Wir haben uns in jeder Hinsicht stark für das Buch engagiert

Felicitas von Lovenberg

Die Startauflage betrage 60.000 Exemplare. Die Übersetzung habe zwei Monate gedauert und man stand "in engem Austausch" mit dem amerikanischen Verlag und Gates‘ Büro. Exklusivinterviews mit Gates, der ein Lieblingsobjekt von Verschwörungstheoretikern ist, gab es bei "Maischberger" (ARD; hier zum nach-sehen), in "Zeit" und "Handelsblatt" – zudem habe Piper ein umfassendes Marketingpaket geschnürt, bestehend aus einer großen Online-Bannerkampagne, einer umfangreichen Social Media Kampagne, großflächiger Außen- und Radiowerbung sowie Printanzeigen.

Sollten die englische und deutsche Ausgaben zum gleichen Termin kommen? "Es war unser Wunsch, zeitgleich zu erscheinen, nicht die Auflage aus den USA", so von Lovenberg. "Zum einen hätten wir sonst sicher stärker an die englische Ausgabe verloren, zum anderen kommt dem deutschsprachigen Raum eine wichtige Rolle zu, sowohl politisch wie in technologischer und wissenschaftlicher Hinsicht. Das Buch verhandelt komplexe Zusammenhänge, die in die Öffentlichkeit gehören. Und diese Diskussion wollten wir natürlich so früh wie möglich anstoßen und begleiten mit der deutschen Ausgabe." 

Die weiteren Neueinsteiger beim Sachbuch (Hardcover):

  • Platz 8: "Was wir Frauen wollen" (Suhrkamp; ET: 15. Februar; Ü: Svenja Becker) von Isabel Allende
  • Platz 12: "Lieblosigkeit macht krank" (Herder; ET: 18. Februar) von Gerald Hüther
  • Platz 14: "Im Schatten des Kreml" (Droemer; ET: Oktober 2019) von Udo Lielischkies
  • Platz 17: "Why We Matter – Das Ende der Unterdrückung" (Aufbau; ET: 15. Februar) von Emilia Roig. Roig ist Gründerin und Direktorin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin. Der Titel ist in den Sachbuch-Hardcovercharts der Aufsteiger der Woche (plus 66 Plätze).
  • Platz 23: "Kurze Geschichte des Antisemitismus" (C.H. Beck; ET: November 2020) des Judaisten Peter Schäfer. "Ein Meisterwerk, das sich leicht und packend liest", fand die "Süddeutsche Zeitung". "Unaufgeregt, sachlich, aber entschieden", nannte Deutschlandfunk Kultur den "historischen Überblick über Hass und Feindschaft gegen die Juden".

Ratgeber: Veganer Orient

Drei Titel schaffen es hier neu in die Charts. Höchstplatzierter Neueinsteiger – auf Platz 6 – ist "Orient trifft vegan" (GrünerSinn; ET: 12. Februar) von Serayi. Die Influencerin Serayi Degerli-Sezgin habe "gemacht, was viele tun: selbst gekochtes Essen auf Instagram und Facebook teilen", sagt Karolina Kelc, CEO & Gründerin des GrünerSinn-Verlags gegenüber Börsenblatt online. "Nach und nach kamen immer mehr Rezeptwünsche seitens ihrer Fans." Inzwischen habe die 25-jährige Aalenerin einen eigenen Blog zum Thema "Orientalisches Kochen", bei Instagram würden ihr fast 25.000 Menschen folgen. Serayi sei Anfang 2020 mit ihrer Idee für das Buch an den Verlag herangetreten. Ihr sei es wichtig gewesen, dieses vegan und nachhaltig zu produzieren – und das ist quasi die DNA des veganen Verlags GrünerSinn. Da die orientalische Küche momentan einen Boom erlebe, so Kelc, habe man sich für das Projekt entschieden. Innerhalb eines dreiviertel Jahres sei das Buch mit allen Beteiligten konzeptionell und materiell sehr hochwertig umgesetzt worden.

"Die Startauflage lag bei 3.500 Büchern und war direkt nach einer Woche ausverkauft", freut sich Kelc. "Auch die zweite Auflage, die gerade erst mit einer Auflage von 10.000 Stück erschienen ist, ist fast vergriffen. Auflage drei erscheint im März."

Ein Erfolgsrezept? "Wir arbeiten mit einem ausgezeichneten Verlagsvertreter zusammen, der uns seit Anfang 2020 intensiv begleitet. Richtung Handel hat er genau die richtigen und wichtigen Impulse gesetzt", berichtet Kelc. Hinzu komme Content-Sensitives Marketing, Interviews, Rezepte aus dem Buch und Anzeigenwerbung in verschiedenen Magazinen. Eine starke Social-Media-Präsenz von Autorin und Verlag würden den Mix an Aktivitäten abrunden.

Die weiteren neuen bei den Ratgebern, zwei Gesundheitstitel:

  • Platz 14: "Der Histamin-Irrtum" (VAK-Verlag; ET: 15. Februar) von Kyra Kauffmann und Sascha Kauffmann
  • Platz 17: "Das Schweigen der Leber" (Trias; ET: Dezember 2020) von Ansgar W. Lohse und Ulf C. Goettges

Der Link zu den Wochenlisten:

https://www.boersenblatt.net/news/bestseller

Insgesamt schaffen es in dieser Woche 32 Neueinsteiger in die Charts sowie neun Wiedereinsteiger (ohne "Essen & Trinken, Ernährung", da Unterwarengruppen bei den Ratgebern).

Über die Bestsellerlisten

Die Börsenblatt-Bestsellerlisten basieren auf Verkaufszahlen, die von unserem Kooperationspartner Media Control erhoben werden. Hierzu werden wöchentlich, elektronisch die Verkaufszahlen aus den Warenwirtschaftssystemen von deutschlandweit mehr als 6.550 Verkaufsstellen ausgelesen: Sortimentsbuchhandlungen inklusive eCommerce, Bahnhofsbuchhandel, Kauf- und Warenhäuser sowie Elektro- und Drogeriemärkte. Bezogen auf das Umsatzvolumen bilden die Daten 88 Prozent des gesamten deutschen Buchmarktes ab. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.