PEN-Zentrum Deutschland

"Macht nicht kaputt, was Kultur macht"

5. Februar 2024
Redaktion Börsenblatt

Die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland mit Sitz in Darmstadt hat am vergangenen Sonntag (4. Februar) einen offenen Brief veröffentlicht, in dem Programmänderungen- und Streichungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kritisiert werden. Zahlreiche Autor:innen wie Felicitas Hoppe, Mithu Sanyal, Daniel Kehlmann und Navid Kermani haben den Aufruf unterschrieben.

"Macht nicht kaputt, was Kultur macht", heißt es in dem Brief. "Die föderale kulturelle Vielfalt Deutschlands ist vielen Menschen ein Vorbild. Die Vielzahl hervorragender Theater, Opern und Festivals findet weltweit Bewunderung. Auch das im internationalen Vergleich bislang reichhaltige und vom Staat unabhängige Programm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser. Diese Foren einer unabhängigen Öffentlichkeit und Vielfalt sind nicht nur eine ästhetische Freude, sondern auch verfassungsgemäß demokratische Pflicht und Notwendigkeit." Dieser Pflicht werde aktuell nicht mehr nachgekommen, schreibt das PEN-Zentrum in dem Aufruf: "Anstatt diesen Schatz des kulturellen Gemeinwohls zu wahren und zu erweitern, wird seitens der Verantwortlichen eine Programmpolitik der Zentralisierung und Reduzierung betrieben." 

Programmänderungen im SWR und BR

Akute Beispiele für eine solchen Prozess seien zum einen die Streichung der Kultursendungen des SWR durch den Intendanten und ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke unter der Begründung einer "Transformation". Außerdem würden Titel wie Salman Rushdies "Knife" im ARD kaum noch rezensiert werden.

Auch die Umstrukturierung des Bayerischen Rundfunks ist für PEN ein Anlass der Sorge. Im letzten Sommer war publik geworden, dass der BR zahlreiche Kultursendungen des Radiosenders Bayern 2 streichen wolle und die Programminhalte auf andere Formate, wie Nachrichtenmagazinen, aufteilen werde. Der Bayerische Rundfunk selbst nannte die Umstrukturierung in einer Meldung eine "Kulturoffensive", die auf eine Stärkung der Kulturberichterstattung mit größerem Publikum abziele.

Ein Angriff auf die Gesellschaft und Demokratie

In allen Fällen zeige sich, dass "wenige Verantwortliche (…) über das Wenige, das besprochen wird und wie es besprochen wird" entscheiden. Besonders schwerwiegend sei das in einer Gesellschaft, in der sich seit Jahren mit der Bekämpfung von "Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus" beschäftigt werden. Ein zentrales Mittel hierbei sei ein "vielstimmiger Diskurs und Debatte". Eine offene Gesellschaft verteidige sich, "indem sie tolerante Vielfalt lebt und feiert, nicht durch Gängelung oder kulturelle Rationierung."

"Während im Supermarkt weiterhin eine große Zahl austauschbarer Produkte die Regale beschwert, soll das kulturelle und mediale Leben auf das verzichten, was es kostbar und unbezahlbar macht: auf die Individualität menschlicher Perspektiven und Sprechweisen. Aber wir sind als Gesellschaft wohlhabend genug, um uns genau das zu leisten (in den letzten vierzig Jahren haben wir alle miteinander das Bruttosozialprodukt verdoppelt!). Der Angriff auf die Programmvielfalt in der ARD und im Bayerischen Rundfunk ist ein Angriff auf die demokratische Verfasstheit unseres Landes. Das darf nicht sein!"

Die Autor:innen hinter dem Brief

Unterschrieben haben: Jenny Erpenbeck, Dinçer Güçyeter, Felicitas Hoppe, Daniel Kehlmann, Navid Kermani, Alexander Kluge, Michael Köhlmeier, Dagmar Leupold, José Oliver (Präsident, PEN-Zentrum Deutschland), Kathrin Röggla (Vizepräsidentin Akademie der Künste, Berlin), Mithu Sanyal, Ingo Schulze (Präsident der Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung), Saša Stanišić, Uwe Timm und Ilija Trojanow.

Das PEN-Zentrum Deutschland (Poets, Essayists, Novelists) besteht seit 1924 und hat seinen Sitz in Darmstadt. Mitte 2022 war es durch den Rücktritt des damaligen Präsidenten und Journalisten Deniz Yücel zu einer Spaltung gekommen, in deren Folge die unabhängige Vereinigung PEN Berlin entstand.