Wem’s zu wohl ist / der geht nach Gohlis, weiß der Leipziger Volksmund. Und irgendwie ist etwas dran: Wäre der Kurt-Wolff-Preis, wie es sich normalerweise gehört, am Stand „Die Unabhängigen“ in Halle 5 der Leipziger Buchmesse verliehen worden, wäre man vom Messe-Grundrauschen, zu dem gern auch mal ein Trompeten-Solo oder die mikrofonverstärkte Anmoderation eines Kabarettisten gehören, nicht verschont geblieben. Antje Kunstmann und Poetenladen-Verleger Andreas Heidtmann bekamen ihre Schecks über 35.000 und 15.000 Euro im barocken Gohliser Schlösschen, in dessen Saal man bei der Laudatio von Verleger Heinrich von Berenberg die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Die einfallende Frühlingssonne färbte das Parkett goldgelb.
Berenberg, der in den 90ern selbst ein paar Jahre im Kunstmann Verlag „aushalf“ (und dabei von der Verlegerin gelernt haben soll, wie das mit der Umsatzsteuer funktioniert), schaffte das Kunststück, der Freundin mit dem langen Atem und dem großen Herzen im vorgegebenen 20-Minuten-Time-Slot einen wunderbaren Kranz zu winden. Und dabei auch ein paar von ihren Erfolgsgeheimnissen zu verraten: Angefangen von der großen personellen Kontinuität des Hauses (während sich das Personalkarussell in der Branche immer schneller dreht, hat Kunstmann davon nie etwas gehalten) über die in Kurt-Wolff-Kreisen bestens bekannte „Querfinanzierung“ (aka „rechte Tasche, linke Tasche“) bis hin zur Küche der Verlegerin, in der Autoren, Übersetzer, ja „komplette Redaktionen von Münchner Tageszeitungen“ und die gesamte Neue Frankfurter Schule sowieso beköstigt und ins Freundschafts-Universum eingesponnen wurden. Berenberg pries sehr zurecht, dass hier eine Verlegerin ausgezeichnet wurde, die der Freundschaft und Solidarität einen zentralen Platz in ihrem Leben eingeräumt hat – so zentral, wie es heute kaum mehr üblich ist. Und er machte, auch das kann man nicht oft genug wiederholen, darauf aufmerksam, dass „alles, was wir in diesem fröhlichen Inferno namens Literaturbetrieb veranstalten, ohne die Mitwirkung der Frauen längst zusammengebrochen und verschwunden wäre“.