„Herzlich willkommen zum Familientreffen!“ Drei Jahre musste Burkhard Jung warten, bis er diese vier Worte anlässlich der Buchmesse-Eröffnung an der Rampe eines vollbesetzten Gewandhauses sprechen konnte. Nun war es – „endlich!“ – soweit, der Saal applaudierte sich selbst, und Leipzigs Oberbürgermeister wirkte so energiegeladen, als hätte er eben in eine Schnellladestation gegriffen. Dabei war der ganze Abend davon gezeichnet, dass über grenzenloser Freude Schwere lastet; wie auch nicht: Seit mehr als einem Jahr tobt Putins Angriffskrieg in der Ukraine. Jung, der ehemalige Deutschlehrer und leidenschaftliche Vorleser, löste die Schizophrenie für sich auf, indem er Brechts „Bitten der Kinder“ (1951) vortrug:
„Die Häuser sollen nicht brennen.
Bomber sollt man nicht kennen.
Die Nacht soll für den Schlaf sein.
Leben soll keine Straf sein.
Die Mütter sollen nicht weinen.
Keiner sollt töten einen.“
Die Wirklichkeit, in der wir Buchmesse feiern, sieht anders aus – das werden wir an keinem der kommenden vier Tage aus unseren Köpfen bekommen. Auch wenn es einen kurzzeitig auf eine andere Umlaufbahn schoss, den Gewandhaus-Kapellmeister der Jahre 1998 – 2005 Herbert Blomstedt an alter Wirkungsstätte mit Schuberts 6. Sinfonie zu erleben.