Stadtschreiberamt Bergen-Enkheim

Beim lässigsten aller Literaturfeste

2. September 2024
Redaktion Börsenblatt

Beim 51. Stadtschreiberfest (30. August) übergab die Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim, Nino Haratischwili, das Amt an ihren Nachfolger Dinçer Güçyeter. Die alljährliche Amtseinführung mit kritischen Festreden und musikalischer Begleitung ist ein Höhepunkt des Volksfestes Berger Markt.

Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig und Oberbürgermeister Mike Josef im Bergen-Enkheimer Festzelt

Wenn ich hier bleibe, werde ich wieder aus jedem rostigen Mist Gedichte schnipseln.

Dinçer Güçyeter

Kulturdezernentin Ina Hartwig (links) und Oberbürgermeister Mike Josef (rechts) nehmen die Stadtschreiber Dinçer Güçyeter und Nino Haratischwili in ihre Mitte

„Es ist, obwohl tadellos organisiert, wahrscheinlich das lässigste aller Literaturfeste, diese traditionelle, symbolische Schlüssel- und Amtsübergabe in einem Zelt voller Bier- und Ebbelwoibänke“, schreibt Sylvia Staude für das Feuilleton der Frankfurter Rundschau: „Dass die Stimmung stets gut ist, selbst in Pandemie-Zeiten unter freiem Himmel heiter war, bedeutet nicht, dass die Reden nicht Ernst und Gewicht haben.“ – so die Rede der scheidenden Stadtschreiberin Nino Haratischwili, die über den Einmarsch Russlands in ihre Heimat Georgien sprach (am 8. August 2008); ebenso ernst die Festrednerin Manja Präkels, die mit den fremdenfeindlichen Auswüchsen von „Dunkeldeutschland abrechnete.

Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef, Schirmherr des Stadtschreiberfests, hob die Besonderheit dieses Literaturpreises hervor, der im vergangenen Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiern durfte: „Der Stadtschreiberpreis von Bergen-Enkheim ist berühmt dafür, dass seine Preisträgerinnen und Preisträger mit großer Sicherheit von dieser Zeit bei uns in Frankfurt schwärmen: Sie sind für ein Jahr Gast eines ganzen Ortes, der sie willkommen heißt und gleichzeitig Gast der Buch- und Literaturstadt Frankfurt.“

Und Dinçer Güçyeter selbst meint: „Wenn ich hier bleibe, werde ich wieder aus jedem rostigen Mist Gedichte schnipseln.“ 
 
Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig würdigt den neuen Stadtschreiber Dinçer Güçyeter als literarisches Multitalent: „Mit seinem mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Roman ‚Unser Deutschlandmärchen‘ gelang ihm der Durchbruch. Ungeachtet seines Erfolgs als Romancier schreibt Dinçer Güçyeter weiterhin Gedichte und ist zusätzlich noch verlegerisch tätig, mit dem Elif-Verlag, der heute eine Vielzahl interessanter und anerkannter Autorinnen und Autoren publiziert. Dieses breite literarische Spektrum ist bewundernswert.“ Der Schriftsteller war 2023 mehrfach ausgezeichnet worden: mit dem Preis der Leipziger Buchmesse (Belletristik) für seinen autobiografischen Roman „Unser Deutschlandmärchen“ und dem Kurt-Wolff-Förderpreis für seinen Verlag ELIF.

Über das Stadtschreiberamt

Der Stadtschreiberpreis von Bergen-Enkheim wurde 1974 eingeführt. Er war der erste dieser Art im deutschsprachigen Raum. Autor:innen mit herausragender Bedeutung für die deutschsprachige Literatur sind jährlich in Bergen-Enkheim zu Gast. Das Stadtschreiberamt beinhaltet die Überlassung des Häuschens „An der Oberpforte 4“ für ein Jahr und ein Preisgeld.

Initiator des Stadtschreiberamtes war der Schriftsteller Franz Joseph Schneider, Bergen-Enkheimer Bürger und Mitglied der „Gruppe 47“. Es war seine Idee, freien Schriftstellern die Möglichkeit zu geben, ein Jahr lang finanziell unabhängig zu leben. Mit dem symbolischen Amt sind keinerlei Verpflichtungen verbunden.