Auf der Leipziger Buchmesse im März hatte das Nachwuchsnetzwerk erstmals die Auszeichnung und Kriterien vorgestellt, die Verlage erfüllen müssen, um ihre Volontariate als „fair“ bewerben zu können.
Der Ernst Klett Verlag, Open Publishing und Kiepenheuer & Witsch erfüllen laut Verein die Kriterien für eine gute Volontariatsausbildung in vollem Umfang und ergänzten diese jeweils mit weiteren Benefits für ihre Volontäre.
„Mit dem Gütesiegel möchten wir gemeinsam mit den Verlagen die Konditionen der Volontärsausbildung verbessern. Denn von einer fairen und guten Ausbildung des Nachwuchses profitiert letztlich die Zukunft der gesamten Branche“, sagt Cigdem Aker, 1. Vorsitzende der Jungen Verlagsmenschen, zu den Zielen des Gütesiegels.
Trotz einer Verbesserung der Ausbildungssituation u.a. durch den Mindestlohn und andere gesetzliche Maßnahmen gibt es in der Buchindustrie noch viel zu tun. Nach wie vor werden gesetzliche Mindeststandards in vielen Unternehmen unterlaufen, teils systematisch, teils aus Unwissenheit. Das Gütesiegel soll letztlich auch ein Bewusstsein in Verlagen für das Thema schaffen.
Zumindest mit den Entwicklungen der letzten Monate, ist Selina Reimer, Vorstandsmitglied und Sprecherin der AG Nachwuchsrechte zufrieden. Das Nachwuchsnetzwerk hatte zahlreiche Bewerbungen abgearbeitet, auf die „Akquise“ waren die Jungen Verlagsmenschen im Vorfeld der Leipziger Buchmesse gegangen, seitdem überlässt es der Verein den Unternehmen und Volontären, sich für die Auszeichnung durch Einsendung eines Fragebogens zu bewerben. „Wir haben seit der Präsentation des Gütesiegels im März tatsächlich zahlreiche Unternehmen geprüft und freuen uns, nun drei der Kandidaten auszeichnen zu können." Viele der abgelehnten Verlage haben Nachbesserungen für ihre Volontariate zugesagt - welche Unternehmen noch nicht die geforderten Standards erfüllen oder wie viele Unternehmen abgelehnt wurden, darüber schweigen die Jungen Verlagsmenschen, um Raum für eine Verbesserung zu geben, ohne einen Verlag an den Pranger zu stellen. "Damit erreichen wir eine echte und hoffentlich langfristig spürbare Verbesserung für den Branchennachwuchs“, glaubt Reimer.
Es ist wahrscheinlich, dass der Werbeeffekt des Gütesiegels die Chancen der ausgezeichneten Verlage beim Rekrutieren fähiger Nachwuchskräfte verbessert. „Wir freuen uns, mit Open Publishing zu den ersten Unternehmen der Buchbranche zu gehören, die das Gütesiegel für Volontariate erhalten. Mit dem Siegel unterstreichen wir, dass wir für eine faire und an der Zukunft orientierte Arbeitsumgebung stehen“, sagt zum Beispiel Albrecht Mangler von Open Publishing. Unter den 37 Mitarbeitern des Unternehmens sind fünf Volontäre. Neben den Pflichtstandards glänzt das Unternehmen durch Fortbildungsmöglichkeiten und interne Schulungen und eine intensive Betreuung innerhalb des ersten Ausbildungsjahres. "Das Gütesiegel hat bei uns einen Perfektionsprozess angestoßen. Wir müssen als Dienstleister etwas bieten, denn wir konkurrieren sehr stark mit anderen Unternehmen", sagt Mangler. "Die Jungen Verlagsmenschen haben zwar viel angestoßen, insgesamt sehe ich aber nach wie vor in der Branche Probleme bei der Bezahlung und noch stärker eine fehlende Perspektive für die Zeit nach dem Volontariat."
Personalreferentin Katharina Plutz freute sich, für Ernst Klett ebenfalls ein Gütsesiegel entgegennehmen zu können. Neben Fahrtkostenzuschüssen punktet das Unternehmen mit Gesundheits- und Sportangeboten, Essenszuschüssen und weiteren Boni jenseits der geforderten Mindestkriterien. Das Unternehmen gestaltet die Volontärsausbildung flexibel zwischen zwölf und 24 Monaten, wie Plutz erläutert. "Es kann nicht einen Durchlaufplan für alle geben. Je nach Bereich und Fähigkeiten müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um eine gute Ausbildung zu gewährleisten. Wir wollen die Volontäre ja irgendwo hinbringen, sonst ist für uns am Ende auch keine Übernahme möglich. Der Schlüssel dazu liegt in unseren sogenannten Meilensteingesprächen."
Für eine mittelgroße Überraschung sorgte die Auszeichnung des KiWi Verlags - vor einigen Jahren musste das Unternehmen noch Negativschlagzeilen aushalten, weil die Standards der Volontärsausbildung branchendurchschnittlich katastrophal waren. "KiWi hat sich hier von Grund auf neueingestellt", fasste Selina Reimer zusammen. "Es wurden Ausbildungspläne eingeführt, Die Ausbildungsdauer erhöht, Fortbildungen angepasst und Zusatzleistungen wie Jobtickets und Englischkurse auf den Weg gebracht." Wegen des ICE-Unfalls zwischen Köln und Frankfurt mussten die JVM das Siegel in Abwesenheit des Verlags vergeben.
Über das Gütesiegel:
Für das Gütesiegel können sich Unternehmen der Buchbranche im deutschsprachigen Raum sowie deren Volontäre mit der Einreichung eines Fragebogens bewerben.
Voraussetzung für den Erhalt des Gütesiegels ist die Erfüllung verbindlicher Ausbildungsstandards, maßgeblich:
- ein Ausbildungsplan
- Fortbildungen
- eine feste Betreuung
- Feedbackgespräche und eine Überstundenregelung
Die Kriterien für die Vergabe orientieren sich u. a. an den Volontariaten in Presse- und Zeitschriftenverlagen, die größtenteils mithilfe von Tarifverträgen geregelt sind.
Wie werden die Angaben geprüft?
- Die Fragebogen (gibt es auf jungeverlagsmenschen.de) werden von der Personalabteilung sowie von mindestens drei Volontären unabhängig voneinander ausgefüllt.
- Die Gütesiegel werden nach positiver Prüfung für zwei Jahre in regelmäßigen Abständen durch die AG Nachwuchsrechte der Junge Verlagsmenschen vergeben. Die Ergebnisse der Prüfung werden für jeden Verlag in einem Gütesiegelbericht dokumentiert und können auf der Webseite des Junge Verlagsmenschen e.V. öffentlich eingesehen werden.
Über die Junge Verlagsmenschen
Der Verein Junge Verlagsmenschen ist mit über 800 Mitgliedern in 13 Städtegruppen das größte Nachwuchsnetzwerk der Buch- und Medienbranche. Seit Mitte 2014 gibt es innerhalb des Vereins die AG Nachwuchsrechte, die sich gezielt den Interessen des Nachwuchses widmet und in den Jahren 2015 und 2017 eine Umfrage zu den Arbeitsbedingungen des Branchennachwuchses durchgeführt hat.