Zehn Buchhandlungen liefen außer Konkurrenz, da ihr Jahresumsatz in den vergangenen drei Jahren über einer Million lag. 100 war ein Preisgeld von je 7.000 Euro sicher - und fünf von ihnen wurden in der Documenta-Halle in Kassel als "besonders herausragende", drei als "beste" Buchhandlungen gekürt.
Die besonders herausragenden Buchhandlungen (mit einem Preisgeld von je 15.000 Euro) sind in diesem Jahr:
- der Botnanger Buchladen in Stuttgart-Botnang
- die Buchhandlung Dombrowsky in Regensburg
- Cohen + Dobernigg in Hamburg
- Buchhandlung Kafka & Co. in Detmold
- Proust Wörter + Töne in Essen
Deutschlands beste Buchhandlungen sind (mit einem Preisgeld von je 25.000 Euro) in diesem Jahr:
- Lessing und Kompanie in Chemnitz
- die Kinderbuchhandlung Krumulus am Berliner Südstern
- Klaus Bittner in Köln
"Unverwechselbar in ihrem Charakter"
Für die Finanzierung eines Buchladens habe sich die Hausbank seinerzeit nicht zu erwärmen vermocht, zitierte die Juryvorsitzende Sandra Kegel Buchhändler Klaus Bittner. Kegel lenkte den Fokus auf das Wort "unabhängig": "Es bezeichnet eine der wesentlichen Tugenden des Buchhändlers, dass er sich von keiner Sache und niemandem abhängig macht." In der Unabhängigkeit liege bis heute seine noble Aufgabe. So wie Bittner es doch noch geschafft hat, erwiesen sich die Buchhändler bis heute als mutige Streiter. Die drei Buchhandlungen hatten die Jury überzeugt, weil sie "unabhängig von Moden und Einflüssen agieren, weil sie unverwechselbar sind in ihrem Charakter und überzeugend in ihrer Präsentation. Und weil sie alle auf je unterschiedliche Weise Angebote machen für eine lebhafte Gesprächs- und Diskussionskultur", so Kegel.
Klaus Bittner biete mit seiner Buchhandlung ein Lesungsprogramm an, das es mit jedem Literaturhaus aufnehmen könne, allein 2017 mehr als 65 Veranstaltungen. Bittner nehme am Indiebookday teil und an der Buchhandlungskooperation 5plus, er habe sein Lyriksegment vergrößert und sei Mitbegründer des Festivals "Atlas der neuen Poesie", habe das Kölner Literaturhaus und die LitCologne mit aus der Taufe gehoben - "das alles zeigt, dass der Mann und sein Buchladen aus der Kölner Literaturszene der letzten 35 Jahre nicht wegzudenken sind", so die Jurysprecherin.
Klaus Kowalke und Susanne Meysick wiederum hätten sich, aus Westdeutschand kommend, mit Lessing und Kompanie ganz bewusst nach Chemnitz in ein politisch wie ökonomisch herausforderndes Umfeld begeben. Wissend, dass es dort um die Leseverhältnisse nicht zum Besten steht und Lehrermangel Leseförderung erschwere, seien sie damals mit dem Gedanken angetreten, die Schülerbildung zu stärken, sagte Kegel. "Umso beharrlicher verfolgen sie ein bildungspoltisch wie literarisch und geistesgeschichtlich anspruchsvolles Programm. Die Kinder- und Jugendbuchabteilung wurde kontinuierlich ausgebaut. Und neben Leseabenden, Autorenworkshops und Vorlesewettbewerben" ziele die Buchhandlung nicht nur auf Neuerscheinungen, sondern halte auch ein breites Spektrum an Backlist-Titeln der Verlage bereit. Auch wenn die politische Situation in ihrem Umfeld die Buchhändler zunehemdn beanspruche, "hält Lessing und Kompanie dabei unbestechlich und unerschrocken die Werte der Aufklärung hoch, gerade, wenn wie jüngst geschehen, rechte Scharfmacher durch die Straßen ziehen. 'Wir wollen uns das freie Wort nicht nehmen lassen'", zitierte Kegel Klaus Kowalke.
Die noch relativ junge Kinder- und Jugendbuchhandlung Krumulus, die 2017 sage und schreibe 260 Veranstaltungen in ihren Räumen organisiert und mehr als 4000 Kinder und Jugendliche erreicht hat, habe sich "in Berlin in kürzester Zeit zur unverzichtbaren Instanz vor allem für Kinder und Eltern entwickelt", erläuterte die Jurysprecherin die Entscheidung. "Lese- und Literaturförderung wird hier auf allen Ebenen hochgehalten", und es gebe neben allen Aktivitäten von Märchenabenden über Kindertheater und Druckwerkstatt "eine kluge und überzeugende Buchauswahl, mit Titeln, die sich nicht unbedingt auf den Bestsellerlisten finden."
Mutige Streiter für das Kulturgut
Zu Beginn der Veranstaltung hatte Moderator Thomas Böhm von seiner Initiation erzählt, als er, der begeisterte Leser von John Sinclairs Geisterjäger-Heftromanen, eines Tages im begehbaren Schaufenster der Duisburger Buchhandlung Atlantis Flann O'Briens "Auf Schwimmen-zwei-Vögel", übersetzt von Harry Rowohlt, entdeckt hatte. Böhms Erinnerung war geradezu ein Stichwort für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters: "Ich gehe abends gerne mal von späten Sitzungen an den Buchhandlungsschaufenstern vorbei und schaue - und die Schaufenster verraten viel von dem Geist des Buchhändlers, der dort wirkt. Ich schreib' mir dann den Titel auf einen Zettel oder tipp's ins Smartphone - und gehe am Wochenende dorthin und kaufe meist nicht nur dieses Buch, sondern da ist immer noch ein bisschen 'Beifang' dabei ..."
Das Verhältnis der Schriftsteller zu Verlegern sei nicht immer einfach, zu Buchhändlern hingegen oft herzlich, "weil sie wissen, was die Buchhändler für die Vermittlung der Literatur leisten", eröffnete Kulturstaatsministerin Monika Grütters ihre Begrüßung. "Um ihnen den Rücken zu stärken auch im Kampf gegen den Online-Handel, ist dieser Preis gedacht". Der Jury sei es gelungen, aus der Fülle an hervorragenden Bewerbungen die besten auszuwählen. Sie sei froh, "dass der Börsenverein und wir alle miteinander immer wieder an einem Strang ziehen, um die inhabergeführten Buchhandlungen zu stärken und das deutschlandweite Netz geistiger Tankstellen zu sichern". Grütters zollte den Buchhändlern Respekt für ihre alltägliche Arbeit: "Danke, dass Sie Flagge zeigen für das Kulturgut Buch. Sie sorgen dafür, dass es auch abseits der Bestsellerlisten Aufmerksamkeit gibt für lesenswerte Bücher: für außergewöhnliche Geschichten, für ungehörte - und unerhörte - Stimmen, für neue Perspektiven." Grütters versicherte, dass sie sich weiterhin unerschütterlich für den Erhalt der Preisbindung einsetze: Großer Applaus nicht nur an dieser Stelle von den rund 300 Anwesenden im Saal. Nach dem Vorbild des Deutschen Buchhandlungspreises werde sie nun auch einen Deutschen Verlagspreis ausloben, "der den Einsatz der unabhängigen Verlage für die Debatten in unserer Demokratie" würdige.
"Das Buch öffnet die Seele"
Hildegund Laaff von der Lengfeld'schen Buchhandlung in Köln, die Thomas Böhm als "Deutschlands bekannteste Salonière" vorstellte, dankte Monika Grütters für ihr Engagement und ihre Wertschätzung für die Buchbranche. Das Lesen sei eine Schule der Aufmerksamkeit und Konzentration - "wer so liest, wird freier, blickt über den Tellerrand hinaus. Was könnte uns in diesen Tagen besser tun?" Wer liest, sei allein, aber nicht einsam. Aber was gebe es Schöneres, als sich über die Lektüre auszutauschen, auch mit den Kunden - das sei für sie auch der Grund, warum sie nach 61 Berufsjahren jeden Morgen immer noch mit Begeisterung in den Buchladen gehe: "Denn das Buch, das ich verkaufe, bringt ein Erlebnis, eine Erkenntnis mit sich. Das Buch öffnet die Seele." Laaffs Fazit: "Wir haben einen Traumberuf" - und schrieb dann der Gesellschaft ins Stammbuch: "Lassen wir uns doch von niemandem vorschreiben, was wir zu lesen haben!"