Pressearbeit für Hörbücher

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16. Februar 2017
Redaktion Börsenblatt
Weniger Rezensionen, dafür mehr Interviews und Kurztipps – die Pressearbeit für Hörbücher hat sich verändert, besonders in Richtung Vielfalt. Was geblieben ist: das Interesse an der vorgelesenen Literatur.

Wegfall von Rezensionsplätzen, hohe Fluktuation in den Redaktionen, Zusammenlegung von Zeitungen – Entwicklungen, die der Literaturkritik das Leben schwer machen, gelten auch für die Hörbuchkritik. Dass bei den Hörbuchrezensionen abgespeckt wurde, lässt sich zwar nicht mit Zahlen belegen, wird aber von der Mehrzahl der Hörbuchpressevertreter bestätigt. Für Buchbesprechungen ermittelte perlentaucher.de 2015, dass sich die Anzahl der Kritiken im deutschen Feuilleton im zurückliegenden Jahrzehnt halbiert hat. Eine entsprechende Statistik für Hörbuchkritiken fehlt. Ohnehin dürfte die Aussagekraft solcher Zahlen begrenzt sein. Zum Beispiel werden beim "Perlentaucher" Kurztipps und Empfehlungen ausgeklammert – eine Form der Literaturbesprechung, die (auch im Hörbuch) eher zugenommen hat.

Frische Möglichkeiten für Berichterstattung rund ums Hörbuch bieten die vielen neuen Kundenzeitschriften von "Dein Bahnhof" über "Laviva" (REWE) bis hin zu "alverde" (Drogeriemarkt dm). "Das sind Hochglanzmagazine mit tollen Journalisten, von denen ich einige vor der Zentralisierungswelle unter anderer Redaktionsadresse in der Kartei hatte", sagt Heike Völker-Sieber, die seit 2001 im Hörverlag für die Presse verantwortlich ist. Und auf Bloggerseite richten sich die Hörverlage nun nicht mehr nur an Literaturblogs, sondern auch verstärkt an ­Familien- und Lifestyle-Blogs.

Eine Rezension im Feuilleton ist für Anna Fohs, die sich bei Bastei Lübbe um das Hörbuch kümmert, wie ein Ritterschlag. Bald ebenso viel zählen – genau wie für die übrigen Hörbuchverlage – Empfehlungen in Blogs und die professionelle Kommunikation mit den Bloggern. Lübbe Audio arbeitet mit etwa 800 aktiven Bloggern zusammen. "Selbst wenn sie Hörbücher nicht im Fokus haben, sind sie sehr aufgeschlossen, wenn wir ihnen in unserem monatlichen Blogger-Newsletter Titel zur Rezension anbieten", sagt Anna Fohs. Im Dezember 2016 hat Lübbe Audio sein Portfolio noch einmal erweitert und einen Podcast mit Livelesungen, Hör­proben und Hintergrundgeschichten ins Leben gerufen. Die meisten Abonnements kommen über iTunes, der Podcast ist aber auch auf der Lübbe-Audio-Webseite und bei anderen Anbietern wie dem Streamingdienst Deezer oder Voice Republic zu finden. Etwa 10.000 Klicks im Monat verzeichnet der ­Podcast, mit monatlich rund 2.000 Downloads der einzelnen Folgen sei man auch mit der "Conversion-Rate" zufrieden, so Fohs.

Mit handverlesenen 90 Blogs ist Argon regelmäßig in Kontakt – und freut sich über "die Zuverlässigkeit, Freundlichkeit und ­Begeisterungsfähigkeit dieser Blogger". Diese Bilanz zieht Marie Steinert, bei Argon für Blogs, Facebook und Co. zuständig. Der Ham­burger Kinder­hörbuchverlag Audio­lino hat mittlerweile den Schwerpunkt seiner Pressearbeit auf Blogs und Social Media verlagert. Weil die Reichweite der meisten Blogs begrenzt ist, könne die Lücke zu den rückläufigen Rezensionen jedoch nur bedingt geschlossen werden, sagt Anne Gerngroß, die sich bei Audiolino um die Pressearbeit kümmert. MehrReichweite dank ­größerer Zielgruppe bieten Familien- und Lifestyle-Blogs: Judith Kaiser von Oetinger Audio hebt die schönen Produkt­inszenierungen dieser teilweise hochprofessionell gemachten Blogs hervor. Blogger, die sich ihre Beiträge vergüten lassen wollen, haben bei den befragten Presseverantwortlichen übrigens keine Chance: "Wir stellen maximal Hörbücher für Gewinnspiele zur Verfügung", sagt etwa Völker-Sieber.

Persönlicher Kontakt zählt, das Gießkannenprinzip ist für viele Presseverantwortliche nicht mehr zeitgemäß. Für positive Anknüpfungspunkte mit Nachrichtenwert sorgen Hörbuchpreise. Hierzu verschicken die Verlage flächendeckend Informationen. Außerdem verlängern Auszeichnungen die Aufmerksamkeitsspanne für die Preisträger. Beim Deutschen Hörbuchpreis etwa vergehen zwischen Nominierung (12. Ja­nuar), Veröffent­lichung der Preisträger (26. Januar) und Preisverleihungsgala (7. März) immerhin knapp drei Monate. "Gerade Titel, die es nicht auf die Best­sellerlisten schaffen, finden durch Bes­tenlisten und Preise Beachtung im Buchhandel und bei den Hörern", sagt Buchfunk-Verleger Johannes Ackner.

Nach wie vor massentauglich sind Livelesungen. Hörbuchfans lauschen gern gemeinsam. 30 Hallen mit zum Teil über 1.000 Gästen füllten Bastian Pastewka & Co. 2015 mit ihrer Durbridge-Tour, 2016 lockte eine "Sartana"-Tour mit Bela B. und weiteren Promis die Anhänger des Spaghetti-­Westerns an (beide WDR / Hörverlag). "Das Interesse ist durch das Erwachsenwerden der 'Kassettenkinder' noch gewachsen", sagt Heike Völker-Sieber. Das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen.

Stimmen aus der Branche

Heike Völker-Sieber, Der Hörverlag

"Reportagen aus dem Studio, O-Töne, Musik – Hörbuchverlage können leicht Anlässe für Berichterstattung bieten. Und bei der zunehmenden People-Fokussierung in der Berichterstattung profitieren wir vom Promi-Faktor der Sprecher."

Anne Gerngroß, Audiolino

"Hörbuchkritik für Kinder kommt fast nur noch auf sehr selten erscheinenden Sonderseiten vor. So schön es ist, dass Hörbücher gesammelt vorgestellt werden, so groß ist die Gefahr, dass einzelne Titel in der Masse untergehen."

Marie Steinert, Argon

"Wir legen großen Wert darauf, dass die Besprechungen von Bloggern ehrlich und sachlich sind, weil sie anderen Hörern ja als Orientierung dienen sollen. Genauso ist eigentlich auch das Selbstverständnis der Blogger."

Johannes Ackner, Buchfunk Verlag

"Hörbücher und Hörspiele werden zumindest in den Printmedien immer seltener besprochen. Zum Glück gibt es den Hörfunk! Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender widmen sich noch ausführlich der gesprochenen Literatur."

Judith Kaiser, Oetinger Audio:

"Neu hinzugekommen sind Familien- und Lifestyle-Blogs. Die erzielen eine größere Reichweite als reine Hörbuchblogs und bieten ihren Lesern eine breite Vielfalt. Es finden dort auch Hörbuchempfehlungen statt, teilweise mit tollen Produktinszenierungen und schönen, sehr persön­lichen Besprechungen."