Rückläufige Absatzzahlen, rückläufige Leserzahlen – Alf Mentzer kommt gleich in seiner Anmoderation auf die aktuellen Gefahren und Herausforderungen der Buchbranche zu sprechen. Aber keiner seiner Gesprächspartner auf dem Podium will so richtig auf den Abgesang des Buches einstimmen.
Zumindest bei Inger-Maria Mahlke ist das kein Wunder: Gerade mal 48 Stunden sind vergangen, seit ihr Roman "Archipel" im Frankfurter Römer zum "besten Roman des Jahres" gekürt und mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Mahlke nimmt lächelnd die Gratulationen entgegen. Ganz verinnerlicht habe sie selbst noch nicht, was da geschehen sei, so die Autorin und die große Freude ist ihr anzusehen. Was man denn zu der häufig geäußerten Kritik sage, der Preis bündele die Aufmerksamkeit der Leserschaft erst auf 20, dann auf sechs und letztlich auf nur einen Titel? Monika Grütters ergreift das Wort und outet sich als großer Fan des Deutschen Buchpreises. "Es stimmt vielleicht: The winner takes ne Menge – aber es profitieren doch alle von den Diskussionen rund um die Literatur", so die Kulturstaatsministerin.
"Das große Interesse an Büchern geht weiter"
Profitieren soll die Branche auch von dem neuen Verlagspreis, den Grütters am Mittwoch offiziell angekündigt hatte. "Die Auszeichnung soll in der Fläche wirken und so einen Beitrag zum Erhalt der kulturellen Vielfalt in ganz Deutschland leisten", erklärt sie. Das Gesamtbudget werde mindestens so hoch liegen wie bei dem Vorbild des neuen Preises, dem Deutschen Buchhandlungspreis, also bei mindestens einer Million Euro. "Der Erfolg des Buchhandlungspreises hat uns ermutigt. Jetzt werden wir uns an die Konzeption des Verlagspreises machen". Er sei ein weiterer Baustein, um die lebendige Buch- und Verlagslandschaft in Deutschland zu erhalten. "Natürlich machen die Zahlen des Börsenvereins uns Sorgen – aber ich glaube daran, dass das große Interesse an Büchern weitergeht."
Gegenwelt zur Reizüberflutung bieten
Dass die Branche lebendig sei und bleibe, meint auch Buchmesse-Chef Juergen Boos. Den Fragen von Alf Mentzer hält er den Zuwachs von 3 Prozent zusätzlichen Ausstellern auf der Frankfurter Buchmesse entgegen. "Die Leute wollen sich weiterhin mit Büchern beschäftigen, gar keine Frage", so Boos. Trotzdem, so Mentzer, müsse sich die Buchbranche doch fragen, wie sie damit umgehen wolle, dass ihr Millionen Leser abhanden gekommen seien. Ob es denn Ideen gebe, um diese Entwicklung aufzuhalten? Die frisch gekürte Buchpreis-Trägerin hat eine ungewöhnliche Idee: "Mit einer geladenen Waffe!", sagt sie und lacht. "Oder vielleicht auch so: Mit dem Angebot, eine Gegenwelt zu Reizüberflutung und Übersättigung zu sein. Auch wenn mich der Trend der Achtsamkeit langsam nervt – Bücher sind das Flakgeschütz der Achtsamkeitswelt." Sie selbst sei, so Mahlke, ein Netflix-Fan. Aber Netflix biete Unterhaltung, während Literatur und Kunst dem Leser existentielle Erfahrungen, eine neue Sicht auf die Welt ermöglichten.
Den drei Optimisten auf dem Podium zuzuhören macht gute Laune. Und es tut gut, einmal andere Töne zu hören auf dieser Messe, auf der nicht wenige in den Abgesang des Buches einstimmen. Mentzer beendet die Diskussion mit dem letzten Satz aus Mahlkes Roman. "Auf die Zukunft!" sagt er – die gute Laune seiner Gäste scheint auch auf ihn ansteckend gewirkt zu haben.