Plädoyer für Zivilcourage

Und wie hältst Du es mit der Gegenwart?

28. Oktober 2015
von Börsenblatt
Sollen Einzelhändler sich aus der Politik raushalten? Martina Bergmann, Text Bergmann in Borgholzhausen, glaubt nicht an Neutralität. 

Als Einzelhändler keine Politik machen. Raushalten. So habe ich das gelernt, und ich fand es immer schon verkehrt. Manche Kunden hätten natürlich lieber, man tummelt sich als Sortimenter zwischen seinen Romanen und ist etwas zauberhafter als die graue Außenwelt. Die weitaus meisten fragen aber, jetzt besonders: Und wie hältst Du es mit der Gegenwart?

Ich habe deswegen einen Aufkleber von Dirk Uhlenbrock an der Tür: Refugees Welcome. Das soll heißen, in dieser Buchhandlung sind Flüchtlinge willkommen, und wir können auch auf Englisch (und Französisch) helfen. Fremde Menschen kehren hier ein, sie bestellen Bücher, sie fragen manchmal nach Adressen oder nach einem Rat. Es ist mir angenehm.

Der Aufkleber heißt auch, ich beziehe Position gegen die Parolen. Gegen das digitale und reale Stammtischgeschwätz, gegen die Paranoia der Ängstlichen und, vor allem, gegen diesen geifernden Neid. Die sollen das alles kriegen? Die, unser Geld?  Ich finde es furchtbar, und ich sage es jedem.

Aber hat das überhaupt mit der Buchhandlung zu tun? Ist das nicht einfach eine Frage der Zivilcourage? Ja und nein. Zivilcourage steht allen gut. Aber nicht jeder hat die Öffentlichkeit einer Buchhandlung. An der Stelle beginnt unsere Verantwortung. Bücher sind das Medium per se, sie sind das Mittel gegen Verblödung. In ihnen steht vielfach aufgeschrieben, was Menschen auf der Flucht geschieht.

Anna Seghers fällt mir immer ein, „Transit“. Ein Bericht über Unrast, Sorge, Armut. Vielleicht sage ich dem nächsten Neider, lies mal „Transit“. Ist nicht so schwer geschrieben, kriegst Du hin. Judith Kerr hat Zeugnis gegeben, in „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ und den Folgebänden. Stefanie Zweig, „Nirgendwo in Afrika“. Und so weiter.

Welche sind Ihre Bücher über Flucht und Vertreibung? Was verkaufen Sie?

Den Aufkleber Refugees Welcome gibt es übrigens gegen Porto bei der Agentur erste liga