Der Offene Brief, der von den Design-Professoren Ingo Ferdinand Offermanns, Markus Dreßen und Markus Weisbeck initiiert wurde, ist auf Facebook zu lesen. Gestaltung sei immer politisch, so die die Unterzeichner. Es brauche darum ein Forum, "das diesen zentralen Aspekt kritisch-ästhetischen Kulturschaffens fördert und vermittelt". Die Stiftung Buchkunst wolle solch ein Ort sein. Betrachte man allerdings die Entwicklung der letzten Jahre, dränge sich der Eindruck auf, "dass die Stiftung 'das schöne Buch' als marktgerechtes Erbauungsaccessoire mit Renditepotenzial missversteht" und den Diskurs kritischer Buchästhetik systematisch ausblende. Die Stiftung Buchkunst agiere "wie ein nationaler Interessenverband der Druck- und Verlagsindustrie, nicht aber wie eine Kulturfördernde und von Kulturförderung bedachte Institution."
Die Unterzeichner des offenen Briefes "plädieren deshalb für einen alternativen und transnationalen buchästhetischen Diskurs innerhalb und außerhalb der Stiftung Buchkunst, der die Bandbreite buchgestalterischer Reflexion und Innovation sowie das künstlerische Experiment spiegelt." Man brauche daher Jurys, die herausragende Buchgestaltung aufspüren und zur Diskussion stellen. "Sollte sich ein solcher Ansatz in der Stiftung Buchkunst nicht abbilden lassen, machen wir uns für eine alternative Institution buchkünstlerischen Diskurses stark, die Schulter an Schulter und auf Augenhöhe mit internationalen Jurys agiert", so die Unterzeichner.
Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, erklärt auf Anfrage von boersenblatt.net: "Über die genannten Kritikpunkte kann mit uns direkt diskutiert werden, an einem Austausch über Buchgestaltung sind wir selbstverständlich immer interessiert. Ein offener Brief sollte die letzte Möglichkeit der Kontaktaufnahme sein und nicht die Erste. Ich kann die Unterzeichner nur erneut auffordern, mit uns ins Gespräch zu kommen."
wer eine derart machtvolle Position im Feld der Buchgestaltung beansprucht und einnimmt, wie es die Stiftung Buchkunst tut, sollte – nach unserem Dafürhalten – auch mit leidenschaftlich vorgebrachter Kritik auf alternativen Wegen umgehen können. Diese Wege umfassen übrigens auch eine Pressemitteilung, die Veröffentlichung bei Slanted sowie verschiedene Hochschulwebseiten, was Sie vielleicht übersehen haben.
Der Verantwortung, die mit der ausgeübten Macht der Stiftung einhergeht, wird sie in den Augen der meisten deutschen Hochschullehrer*innen offensichtlich nicht gerecht. Diese Entfremdung von den Kontexten, in denen am aktuellen und zukünftigen Buch gearbeitet wird, empfinden wir als hoch problematisch. Die Wahl des offenen Briefs als Kommunikationsform hat darum auch mit dieser Entfremdung zu tun: Es wäre nämlich aufgrund aufgrund ihres öffentlichen Einflusses und Selbstverständnisses, „die deutsche Bucherstellung kritisch zu begleiten“, Aufgabe der Stiftung Buchkunst auf die Hochschulen zuzugehen, die dort virulenten Diskurse einzubinden und nicht umgekehrt. Das systematische Ausklammern dieser Institutionen – und die Phalanx der unterzeichnenden Hochschullehrer*innen unterstreicht diesen Vorwurf – wirkt weder vertrauensbildend noch kommunikativ, und lädt darum nicht ein, zunächst einmal höflich anzuklopfen.
Wie jedem überzeugten Demokraten geht es uns schließlich um leidenschaftliche Debatten. Wir sind darum auf die kommenden Reaktionen gespannt und hoffen, mit unserem Brief eine Auseinandersetzung um die Werte unserer Disziplin – und deren Repräsentation – anzustoßen. Über einen engagierten Austausch würden wir uns freuen und planen hierfür im kommenden Januar eine öffentliche Diskussionsrunde mit verschiedenen Panels in der Aula der Hochschule für bildende Künste Hamburg, zu der wir die Stiftung Buchkunst gerne einladen.
Mit herzlichen Grüßen,
die Initiatoren des offenen Briefs
Ingo Offermanns, Markus Dreßen, Markus Weisbeck
Diese Haltung finde ich höchst sonderbar und sie offenbart eine Ahnungslosigkeit der hochkarätig besetzen »Phalanx« von Unterzeichnern über die Arbeit der Stiftung Buchkunst. Das Angebot von Katharina Hesse, sich im Gespräch statt über offene Briefe auszutauschen, lapidar zu kritisieren und den gewählten Kommunkationsweg selbstgerecht zu begründen, demonstriert eigentlich Desinteresse am eingeforderten Diskurs.
Der Zugang zum Wettbewerb der »Schönsten Deutschen Büchern« ist ziemlich einfach, alles was eine ISBN hat kann eingereicht werden, was vorbildlich in Gestaltung und Herstellung ist wird nominiert, was hausragend gelungen ist wird prämiert. Damit spiegelt der Wettbewerb selbstverständlich den »virulenten buchkünstlerischen/buchgestalterischen Diskurs« ab, der auf allen Ebenen der bücherherstellenden Welt täglich und intensiv stattfindet. Primär wird er dort übrigens geführt von Absolventen jener Schulen, an denen die Initiatoren des offenen Briefs lehren.
Die Wirksamkeit der Ergebnisse des jährlichen Wettbewerbs auf einen hektischen und schwierigen Markt, der Gestaltung bis vor kurzum weitgehend als kalkulatorisches Problem betrachtet hat, ist dabei Teil dieses Prozesses. Es stimmt, der Umbau und die Neuausrichtung des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren hat diesen Einfluss enorm erhöht. Während vor 10 Jahren experimentelle Abschlussarbeiten in Buchform präsenter waren im Wettbewerb, ist der Katalog derzeit eben keine reine Werkschau mehr.
Es liegt in der »Macht« der Hochschulen, den internen Diskurs über Gestaltung nach außen zu tragen. Der Stiftung Buchkunst anzulasten, dass dieser nicht wahrgenommen wird, ist mehr als fragwürdig. Sie kann ein Dialogpartner dafür sein und Plattformen bieten. Wie es im übrigen ihr »Förderpreis für junge Buchgestaltung« bereits ist, der innovative und unkonforme Buchprojekte auf eben jene Diskursbühne bringt, die im offenen Brief gefordert wird.
Robert Schumann, Buchgestalter