Das Beispiel Post steht für viele großen Arbeiten Spiekermanns, die sein einstiger Schüler Johannes Erler, inzwischen Art Director beim „Stern“, für den hinreißenden Band „Hallo, ich bin Erik“ zusammengetragen hat. Auf mehr als 300 Seiten entfaltet sich so etwas wie eine Arbeitsbiografie des inzwischen 67-Jährigen, der in seiner fast fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere die Branche nicht nur in Deutschland prägte. Erlers Zeitreise, bereichert um zahlreiche Interviews und Gastbeiträge von Wegbegleitern wie Neville Brody Mirko Borsche oder Stefan Sagmeister, unterteilt Spiekermanns Wirken in sieben Felder: vom Schriftgestalter über den Grafikdesigner bis zum Unternehmer, Netzwerker und Autor. Im Kapitel „Der Mensch“ zeigt sich, dass Spiekermanns Begeisterung für Gestaltung weit in den privaten Bereich hineinreicht: Tolle Vintage-Rennräder hortet der begeisterte Radler gleich im Dutzend, und einer wie Spiekermann kennt natürlich auch die Formel für die optimale Anzahl von Fahrrädern, die ein Mensch besitzen sollte: n+1.
Mit dem Ende des Buches schließt sich ein Kreis: In Berlin-Tiergarten, nicht weit von dem Haus, in dessen Keller er Ende der 60er anfing, Briefbögen und Visitenkarten für kleine Gewerbe zu drucken, hat sich Spiekermann nun, nach dem Abschied von operativen Geschäft, eine Druckwerkstatt eingerichtet. Bald werden dort auch die Maschinen der legendären Rixdorfer Drucker einziehen. Von Ruhestand keine Spur: Zwischen Boston-Tiegeln und Plakatschriften aus Holz wird Spiekermann ausloten, wie sich alte Druckverfahren mit den Werkzeugen der digitalen Welt kreuzen lassen. Spiekermann, der lebende Beweis für Paul Watzlawicks berühmten Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“, hat sich einiges vorgenommen. Und vielleicht bekommt er ihn ja noch, seinen „Bildschirm, der beim Berühren ein Buch zum Blättern wird.“
Auch wenn der Hochgeschwindigkeits-Formulierer Spiekermann sich für den Titel eher eine hemdsärmlige Neuköllner Version („Binischerik“) gewünscht hätte: „Hallo, ich bin Erik“ ist weit mehr geworden als das vielleicht erwartbare Coffetable-Präsent für die üblichen Verdächtigen: Eine kluge, detailversessene und mit viel Empathie gefertigte Werkschau eines der ganz Großen im Grafikdesign. Die Verbeugung vor einem Hitzkopf, der Aufregung stets in Tätigkeit umsetzte. Wer sich also wieder einmal über schlechte Typo oder entscheidungsschwache Auftraggeber mit schlechtem Geschmack ärgert, sollte nicht in die Luft gehen, sondern sich Erlers Buch besorgen. Spätestens nach dessen Lektüre ist klar: Es gibt nur eine sinnvolle Art, mit Ärger umzugehen: Ändern!
Johannes Erler: "Hallo, ich bin Erik. Erik Spiekermann: Schriftgestalter, Designer, Unternehmer". Gestalten Verlag, 320 S., 45 Euro
Einen Podcast zu Erik Spiekerman finden Sie unter gestalten.tv.