Ich heiße Gerhard Falkner, wie jeder andere Mensch auch, und es gibt eigentlich keinen Ort in meiner Vergangenheit, der nicht ein bisschen zur Ausschmückung dieser Tatsache beigetragen hat. Früher, als mir in meiner Haut noch weltlicher zumute war, übten Buchhandlungen eine Anziehung auf mich aus wie Höhlen auf Bären: Sie boten Schutz vor schriftlosen Räumen, also den eigentlichen Wildnissen. Der zunehmend kosmopolitische Zuschnitt meiner Reviere machte es erforderlich, an den verschiedensten Orten der Welt solche Höhlen aufzusuchen und diese wie Netzteile oder Ladeschalen anzuwenden. Buchhandlungen frischten und luden mich auf und steigerten meine lexikalische und literarische Leistungsfähigkeit. Sie waren zwar nicht die Geburtsorte, aber die Lebensräume und Umschlagplätze von Literatur.
Seit die Buchmärkte den Akzent verschoben haben von der Literatur auf das Buch, von der Kultur auf den Verkauf, von der überzeitlichen Gültigkeit auf die möglichst sofortige Verheizung marktgenerierter Bestseller, der implizierten Brennbarkeit von Papier Folge leistend, hat eine unglaubliche Verwahrlosung der Buchkultur stattgefunden, die vom sang- und klanglosen Verenden der klassischen und der kulturellen Kontinuität begleitet wird. Der Niedergang der Antiquariate ist dafür nur ein Anzeichen. Das Pestizid heißt "Verjetztzeitlichung". Das suchende Auge wird pausenlos überrumpelt mit Masse, der Verstand abgestumpft mit Superlativen, die Geduld strapaziert von hemmungslos ahnungslosen Buchverkäufern. Was ist nun passiert, wenn James Joyce gerade kein Jubiläum hat und die Ausgabe des "Ulysses" zehn Jahre alt ist, wenn hingegen Thomas Meineckes Roman "Selbst" ganz neu, aber ohne Buchpreis oder Büchner-Preis danebensteht, wenn die "Untitled Film Stills" von Cindy Sherman neben den Briefen von Proust zuschauen müssen, was mit Castorf gerade so passiert, Kurt Cobain den gesammelten Werken von Claude Simon trotzt oder der Stadtstreicher Teju Cole nur knapp hinter dem Stadtstreicher Walter Benjamin liegt, gefolgt von Nick Cave mit seinem "Sick bag song"? Antwort: Man steht vor der Buchhandlung Disko in der Pankower Florastraße und traut seinen Augen nicht. Die gebürtige Leserin und affizierte Theaterconnaisseuse Krischa Hasselbach legt auf! Nicht Platten, sondern Bücher.
Zwar gibt es in Berlin eine ganze Reihe sehr feiner Adressen für Literatur, wie die noch immer unschlagbare Autorenbuchhandlung am Savignyplatz und sicherlich auch, wenn's denn sehr groß sein soll, Dussmann in der Friedrichstraße, aber der kleine Laden von Krischa Hasselbach bleibt ein Solitär, der die aktuelle Literatur mit dem gesamten 20. Jahrhundert des Theaters, der Fotografie in Beziehung bringt. Er arbeitet mit den Mitteln einer Galerie, und die Galeristin Hasselbach agiert wie eine Kuratorin. Sie entstapelt und entramscht das Gewerbe. Sie befreit jedes Buch wieder zum Einzelstück und gibt ihm die Einzigartigkeit seiner Größe zurück. Sie zeigt große Literatur neben großer Fotografie, großem Theater, großer Kunst, bei ihr steht Hanne Darboven neben Beckett, Baselitz neben Brecht und alle strahlen über ihre Nachbarschaften. Denn alle Künste sind Neighbourhoods!
Disko - Buchhandlung für Literatur und Theater
Inhaberin: Krischa Hasselbach
Florastr.37
13187 Berlin
E-Mail: KONTAKT@BUCHDISKO.DE
http://buchdisko.shop-asp.de