Im ersten Anlauf, bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung im September, war der Antrag für ein kollektives Verrechnungsmodell noch daran gescheitert, dass bei der Abstimmung in der Berufsgruppe der Journalisten 3 Stimmen an der erforderlichen 2/3-Mehrheit fehlten. Nun fand ein – leicht modifizierter – Antrag des Vorstands in allen sechs Berufsgruppen sehr deutliche Mehrheiten. Wie Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang mitteilt, seien der Abstimmung allerdings hitzige Diskussionen zwischen Autoren und Journalisten bzw. den Exponenten von deren verschiedenen Organisationen vorausgegangen, so dass das deutliche Abstimmungsergebnis in der Berufsgruppe der Journalisten für Beobachter eher überraschend kam.
Mit dem Verrechnungsmodell kann die VG Wort laut Sprang nun ein Verfahren nutzen, das auch der Bundesgerichtshof im sogenannten Vogel-Urteil für zulässig erklärt hatte. Demnach darf ein Urheber einen ihm zustehenden gesetzlichen Vergütungsanspruch nach dessen Entstehung (also nach der Veröffentlichung seines Werks) ganz oder teilweise an seinen Verlag abtreten. Vor diesem Hintergrund soll es das kollektive Verrechnungsmodell ermöglichen, dass der Urheber dem Verlag seinen Nachforderungsanspruch gegenüber der VG WORT abtritt. Dieser Anspruch kann dann mit dem Rückzahlungsanspruch der VG WORT gegenüber dem Verlag verrechnet werden.
Für die Abgabe der Abtretungserklärungen der Autoren gegenüber der VG Wort, die in für die Verlage anonymer Form erfolgt, gilt eine Frist bis zum 28. Februar 2017. Danach berechnet die VG Wort die Höhe ihrer Rückforderungen gegen Verlage unter Berücksichtigung der Abtretungen neu und stellt den Verlagen im Laufe des Frühjahrs 2017 eine Rechnung, die innerhalb von 30 Tagen zu zahlen ist.
Verlage, die sich um Abtretungserklärungen ihrer Autoren bemühen wollen, um ihre Rückzahlungsverbindlichkeiten gegenüber der VG Wort zu drücken, müssen im ersten Schritt unverzüglich eine Verjährungsverzichtserklärung gegenüber der VG Wort abgeben, so Sprang. Für die Schreiben an ihre Autoren stellt ihnen die VG Wort kurzfristig Muster für Abtretungs- bzw. Verzichtserklärungen bereit. Die Veröffentlichung der schon vorbereiteten Muster durch die VG Wort wird sich wegen notwendiger Abstimmungen mit den obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern (Bestätigung, dass die Verfügungen für die Autoren keine Umsatzsteuerpflicht hervorrufen) um wenige Tage verzögern.
Der Börsenverein werde seine Mitgliedsverlage, die sich am kollektiven Verrechnungsverfahren beteiligen wollen, mit Merkblätter und Mustern für Anschreiben unterstützen, sobald ihm die Dokumente der VG Wort vorlägen, sagte Sprang. Nachdem die VG Wort von Verlagen bislang lediglich 5,8 Millionen Euro an Rückzahlungen erhalten hat (bei geltenden gemachten Forderungen von insgesamt ca. 93 Millionen Euro), ist davon auszugehen, dass sich die große Mehrheit aller Verlage an ihre Autoren mit der Bitte um Abtretung im Rahmen des kollektiven Verrechnungsmodells wenden wird.
Christian Sprang wertet die Entscheidung der Mitgliederversammlung als wichtiges politisches Signal dafür, dass die erfolgreiche Zusammenarbeit von Autoren und Verlagen in der VG Wort als ihrer gemeinsamen Verwertungsgesellschaft fortgesetzt werden kann.
Update, 28. November: In einer Pressemitteilung vom Sonntag informiert die VG Wort, dass die Mitgliedervesammlung weiter einen "Korrektur-Verteilungsplan" beschlossen habe, der die Neuverteilung an die Urheber für den Zeitraum 2012 bis 2015 ermöglicht. Die Ausschüttungen im Rahmen der Neuverteilung würden spätestens bis zum 31. Dezember 2017 erfolgen.
"Gegenstand der gestrigen Mitgliederversammlung waren auch eine Vielzahl von Änderungen in Satzung und Verteilungsplan, die aufgrund des neuen Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG) derzeit umzusetzen sind", so die VG Wort weiter. Beschlossen wurden danach die vorgeschlagenen Änderungen der Satzung. Ein Beschluss bezüglich Änderungen des Verteilungsplans sei bei der Mitgliederversammlung nicht zustande gekommen."Rückzahlungen an die VG Wort: Was ist jetzt zu tun?" Unter dieser Überschrift bündelt der Börsenverein auf einer Sonderseite im Netz alle Informationen, die nach der Mitgliederversammlung der VG Wort für Verlage wichtig sind. Hier geht's zur Website.
Beschlossen wurde vielmehr, dass Urheber, die dies wünschen, ihre Rechte der VG Wort gegenüber abtreten können, und zwar anonym, damit diese mit den Rückforderungen an die Verlage verrechnet werden können.
Beschlossen wurde des Weiteren, dass Stundungen bis 31.12.2017 möglich sind, die jedoch den Nachweis erfordern, dass der Verlag durch etwaige Rückzahlungen tatsächlich in seiner Existenz bedroht wäre.
Und ja, der Großteil der anwesenden Mitglieder hat seinem Wunsch Ausdruck gegeben, das erfolgreiche Modell der von Verlegern und Autoren fortzuführen.
Mit freundlichen Grüßen, Elisabeth Liebl (Sachbuchübersetzerin)
@kigu: Als die oben stehende Meldung online ging, war die Mitgliederversammlung der VG Wort noch nicht beendet. Insbesondere war in München noch nicht über den hinten in der Tagesordnung stehenden vorübergehenden Verteilungsplan abgestimmt worden. Dadurch ergibt sich, dass dieser Aspekt erst in einem Nachtrag zu dem Artikel berücksichtigt werden konnte, der wiederum auf der offiziellen Pressemeldung der VG Wort basiert. Die Vorab-Berichterstattung erschien deshalb sinnvoll, weil das Zustandekommen des kollektiven Verrechnungsmodells für die Verlage von ungleich größerer Bedeutung war und ist als die Beschlussfassung über einen vorübergehenden Verteilungsplan, bei dem es nur darum ging, den Anforderungen des zum 1.1.2017 in Kraft tretenden Verwertungsgesellschaftengesetzes gerecht zu werden. Dieser vorübergehende Verteilungsplan war und ist aber nicht ausschüttungsrelevant. Die nächste Hauptausschüttung der VG steht voraussichtlich im Juni/Juli 2017 an. Die VG Wort hat bereits vor mehreren Wochen zu einer weiteren Mitgliederversammlung am 18. März 2017 eingeladen. An diesem Tag sollen die Mitglieder über einen neuen Verteilungsplan abstimmen, der – im Gegensatz zu dem jetzigen, lediglich vorübergehenden – dann tatsächlich für die Hauptausschüttung im nächsten Sommer und die Folgeausschüttungen relevant ist.
Übrigens ist es auch aus einem anderen Grund in der Sache berechtigt, die gescheiterte Zustimmung zu dem vorübergehenden Verteilungsplan NICHT als „wichtiges politisches Signal“ zu deuten. Als – unmittelbar vor der Mittagspause - über das kollektive Verrechnungsmodell abgestimmt wurde, waren in der Berufsgruppe 2 der Journalisten 160 stimmberechtigte Mitglieder vertreten. (Alle fünf anderen Berufsgruppen haben bei allen Abstimmungen ohnehin mit großen Mehrheiten für die Beschlussvorschläge des Vorstands gestimmt.) Davon haben 130 für das Verrechnungsmodell gestimmt, nur 30 dagegen, so dass die notwendige Zweidrittelmehrheit deutlich übertroffen wurde. Als am tiefen Nachmittag über den vorübergehenden Verteilungsplan abgestimmt wurde, hatte sich ein Großteil der Anwesenden – womöglich zermürbt durch anstrengende Debattenbeiträge der immer gleichen Protagonisten – bereits auf den Heimweg ins verspätete Wochenende begeben. Dabei war der Mobilisierungsgrad der „Sitzenbleiber“ auf Seiten einer bestimmten Fraktion anscheinend größer als bei denjenigen Journalistinnen und Journalisten, die hauptsächlich deswegen zu der Mitgliederversammlung gekommen waren, um bei der inhaltlich zentralen Abstimmung über das kollektive Verrechnungsmodell ein „wichtiges politisches Signal“ zu setzen. Dieser Umstand dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass mit 53 Ja- und 37 Nein-Stimmen die Zweidrittelmehrheit in der Berufsgruppe 2 verfehlt wurde. Ob dieses Ergebnis aber tatsächlich relevante Auswirkungen nach sich zieht, ist nach dem eben Gesagten ohnehin fraglich.