Interview mit "Kaffeehaussitzer" Uwe Kalkowski

"Ein Blog ist wie ein Marathonlauf, nicht wie ein Sprint"

3. Januar 2017
Redaktion Börsenblatt
Wann ist ein Blog gut? Wie sieht es mit der Monetarisierung aus? Welche Erwartungen stellen die Verlage an Blogger? Katharina Gröger hat mit Uwe Kalkowski gesprochen, der den Blog "Kaffeehaussitzer" betreibt. 

Was macht einen guten Blogger aus?Angesichts der Vielzahl vollkommen unterschiedlicher Literaturblogs ist es nicht möglich, hier eine inhaltlich verallgemeinernde Antwort zu geben. Es gibt unzählige verschiedene thematische Zielsetzungen, Ansprüche, Layouts, Schreibstile oder Herangehensweisen, was die Welt der Buchblogs ja auch so schön bunt macht. Aber folgende formale Kriterien machen in meinen Augen einen guten Blogger aus:

Wer bloggt, sollte einen hohen Anspruch an den Inhalt haben, schließlich präsentiert man sich damit in der Öffentlichkeit. Einen Text, der z.B. voller Rechtschreibfehler ist, nimmt niemand ernst. Die "Über"-Seite finde ich wichtig, schließlich möchte man als Leser gerne wissen, mit wem man es zu tun hat – zumindest mir geht das so. Ein guter Blogger gibt sich Mühe bei der Ausgestaltung des verwendeten Blog-Layouts, verzichtet aber auf unnötige Tools. Der Blog lebt natürlich nicht von alleine. Ein guter Blogger beantwortet Kommentare, kommentiert selbst auf anderen Blogs und hält den eigenen Blog souverän in den sozialen Netzwerken präsent. Zum Schluss das Wichtigste überhaupt: Regelmäßig bloggen. Denn das Betreiben eines Literaturblogs ist wie ein Marathonlauf, nicht wie ein Sprint. Man benötigt viel Ausdauer.


Nach welchen Kriterien wählen Sie die Verlage aus, mit denen Sie zusammenarbeiten? Das Wort "Arbeit" verwende ich im Zusammenhang mit dem Bloggen eigentlich nicht. Neben dem Lesen ist eines meiner größten Vergnügen, mich mit Gleichgesinnten über Literatur und Bücher auszutauschen. Und mein Blog "Kaffeehaussitzer" hat mich mit vielen, vielen dieser Gleichgesinnten zusammengebracht. Er ist – ich bitte diesen etwas abgenutzten Ausdruck zu verzeihen – mein Herzblut-Projekt; die digitale Möglichkeit, meiner Literaturbegeisterung eine öffentliche Stimme zu verleihen. Von daher wähle ich nicht Verlage aus, mit denen ich zusammenarbeite, sondern ich wähle Bücher aus, die ich lesen möchte. Dies findet vor allem in den Buchhandlungen meines Vertrauens und durch die Blogs befreundeter Blogger statt. Das sind die beiden hauptsächlichen Inspirationsquellen für meine Lektüreauswahl. Natürlich pflege ich mit einigen Menschen, die in den Verlagen die Bloggerkontakte betreuen, persönlichen Kontakt. Wobei eben dieses Persönliche dabei im Mittelpunkt steht. Man trifft sich auf den Buchmessen, schreibt einander, sieht sich bei Veranstaltungen, trinkt ein Bier miteinander. Das alles auf Augenhöhe und in einem freundschaftlichen Umgang. Und natürlich geht es dabei um Bücher. Wobei ich den größten Teil meiner Bücher in Buchhandlungen kaufe, Rezensionsexemplare fordere ich nur manchmal an; das hat für mich etwas zu Verbindliches. Meistens dann auch nur bei den Verlagsmenschen, die mich gut kennen und die wissen, dass es manchmal etwas länger dauern kann, bis ich das Buch lese. Zu groß ist die Auswahl im heimischen Bücherregal. 

Gibt es eine bestimmte Erwartungshaltung der Verlage bei der Zusammenarbeit?In den letzten Jahren haben Verlage die Blogger als wichtige Multiplikatoren entdeckt. Wir erhalten Informationen zu den Programmen, die jeweiligen Vorschauen, Lese- und Rezensionsexemplare, werden zu Events und Buchmessepartys eingeladen. Im Gegenzug wird natürlich erhofft, dass Neuerscheinungen auf den Blogs vorgestellt werden oder Blogger gemeinsame Aktionen mit Verlagen durchführen. Das ist für mich stets eine Gratwanderung, denn das Wichtigste eines Blogs ist seine Unabhängigkeit oder anders gesagt: Ich möchte nicht den vielen Neuerscheinungen eines Bücherjahres hinterherhecheln, sondern suche mir gerne Lektüren auch abseits der großen Namen und der aktuellen Programme. Wenn ich ein Buch vorstelle, dann schreibe ich, warum es für mich so wichtig war und kümmere mich nicht um das Erscheinungsjahr oder darum, ob es überhaupt noch lieferbar ist. Der befreundete Blogger Ilja Regier (Muromez) hat es perfekt auf den Punkt gebracht und ich weiß gar nicht, wie oft ich seinen Satz schon zitiert habe: "Ich will bloggender Leser sein, kein lesender Blogger." Aber natürlich ist der Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen in den Online- oder Presse-Abteilungen der Verlage stets eine Bereicherung und ein Vergnügen; es sind daraus viele Kontakte entstanden, die ich nicht missen möchte.

Mit welchen Aktionen werben die Verlage für sich?Für Verlage besteht die größte Herausforderung darin, in der riesigen, vollkommen heterogenen Buchbloggerszene diejenigen Blogger zu identifizieren, mit denen man einen engeren Kontakt herstellen möchte, da deren Blogprofil gut zum Verlagsprofil passt. Ist dies einmal geschehen, werden diese Blogger gerne zu Bloggertagen in den Verlagen eingeladen, meist mit Übernahme der Reisekosten und mit Hotelunterbringung. Die Blogger lernen dabei den Verlag kennen, treffen die Menschen hinter dem Programm, erhalten Einblicke und den Verlagsalltag und werden auf neue Bücher aufmerksam gemacht. Außerdem gibt es Verlagsabende, große Aktionen wie die LitBlog-Convention – eine Gemeinschaftsaktion der Kölner Verlage Kiepenheuer & Witsch, DuMont, Bastei Lübbe und Egmont – oder gezielte Buchkampagnen mit einzelnen Bloggern.

Wie stehen Sie zur Monetarisierung von Literaturblogs?Die Diskussion über Monetarisierung von Literaturblogs finde ich irreführend. Mit dem Blog direkt Geld verdienen? Das kann man getrost vergessen, außer Affiliate-Verlinkungen auf Amazon – die für mich als Unterstützer des unabhängigen Buchhandels niemals in Frage kommen würden – gibt es kaum Möglichkeiten. Gesponserte Beiträge nehmen einem Blog das Persönliche, für Bannerwerbung etc. sind die Reichweiten von Literaturblogs vollkommen uninteressant. Die Travel- oder Beauty-Blogger, die gerne als Vorbild für Blog-Monetarisierung herangezogen werden, haben mehrere Millionen Besucher im Monat. Selbst etablierte und bekannte Literaturblogs erreichen hier lediglich eine Zahl im unteren fünfstelligen Bereich. Aber man kann durch den Blog bekannt werden. Der Blog ist die Visitenkarte im Netz, er zeigt Kompetenz, hilft dabei, Kontakte zu knüpfen und sich mit Menschen aus der Branche zu vernetzen. Zudem haben sich bei etlichen Bloggern Aufträge für Texte über den Blog hinaus ergeben: Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften, in Online-Magazinen oder Verlagsblogs. Beiträge, für die es Honorare gibt. Das ist jetzt keine Monetarisierung an sich, aber stückweise baut man sich dadurch ein Standbein im Netz auf, zeigt Kompetenz, wird zum Experten. Und daraus kann sich durchaus einmal eine berufliche Perspektive ergeben.


Uwe Kalkowski ist seit vielen Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler in großen und winzigen Buchhandlungen, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Marketingmensch in verschiedenen Fachverlagen; seit 2009 ist er Marketingleiter des RWS Verlags in Köln. Als Kaffeehaussitzer bloggt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In der Kolumne "Kaffeehaussitzers Netzrückblick" gibt er auf buchmarkt.de regelmäßig eine Übersicht über lesenswerte Fundstücke aus den Literaturblogs.


Mehr über Literaturblogs, Kriterien für Qualität und die Zusammenarbeit der Blogger mit den Verlagen lesen Sie im Börsenblatt Spezial Belletristik, das am 12. Januar erscheint.