Fünf der 25 schönsten deutschen Bücher 2017

Einfach gut gemacht

6. Juli 2017
Stefan Hauck
Die Jury hat entschieden: Die schönsten deutschen Bücher 2017 sind gekürt. Fünf der 25 Siegertitel stellen wir hier vor.

Parabel gegen den Krieg
In 26 Kapiteln hält der Hamburger Zeichner Sebastian Rether fest, wie sein siebenbürgischer Großvater als junger Mann in die Armee eingezogen wird, wie er den Krieg bis zur Flucht aus der Gefangenschaft durchlebt. Mit reduziertem Strich und Text skizziert Rether eindrucksvoll Szenen als Metaphern, unter den Helmen verlieren die Menschen ihr Gesicht – eine großartige Graphic Novel. Bereits der Einband ist ein haptisches Erlebnis, Schrifttypus und -größe harmonieren hervorragend mit den zarten Konturzeichnungen, das Weiß öffnet die Seiten und "erzählt" weiter: Hier passt einfach alles.

Sebastian Rether: "Foc – Feuer", Edition Büchergilde, 386 S., 24,95 €

Gegen heuchlerische Absichten
Als dieses Werk 1742 erschien, ließ die Kirche die Tragödie über den religiösen Fanatismus als politische Waffe sofort verbieten – denn Voltaire zielte auf die höchst weltlichen Absichten des Klerus'. Der Neuübersetzung sind Voltaires Widmungsbriefe an Friedrich II. und den Papst zur Seite gestellt, sowie zwei Streitschriften, in denen er mit den drei Buchreligionen abrechnet. Der Inhalt ist hier schon auf dem geprägten Cover zu lesen, die Dialoge sind innovativ und funktional zugleich gestaltet, der grüne Kopfschnitt leuchtet und in der Marginalspalte erscheinen gestürzte Texte. Alles in allem eine sehr hochwertige Ausstattung.

Voltaire: "Der Fanatismus oder Mohammed", Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, 160 S., 20 €

Genießen ohne Alkohol
Eine Sommelière zeigt auf einer kulinarischen Entdeckungsreise, welche alkoholfreien Getränke zu verschiedenen Speisen passen und mit welchen Rezepten man aus aus Wasser, Saft oder Tee gelungene Essensbegleiter machen kann. Der violette Farbschnitt korrespondiert mit der Banderole, die Illustrationen haben zum Teil einen zweifarbigen Verlauf, das Gestaltungskonzept mit perfekter Farbabstimmung, übersichtlichen Doppelseiten und ansprechender, gut lesbarer Typografie ist konsequent umgesetzt.

Nicole Klauß: "Die neue Trinkkultur", Westend, 272 S., 26 €

Die Mauer von Osten betrachtet
Ein Fotograf und eine Schriftstellerin zeigen in rund 3.000 Einzelbildern von DDR-Grenztruppen den gesamten Verlauf der Mauer um Westberlin. Hausfassaden, Zementplatten, Bahndämme und Drahtzäune bildeten die Grenze – und nicht das Betonband, das sich in der kollektiven Erinnerung festgesetzt hat. Ausgezeichnetes Papier und Bildqualität zahlen sich aus, die Textseiten sind gut ins Großformat gebracht. Trotz Bilderfülle bedrängt das Dokumentarische den Betrachter ebenso wenig wie typografische Meinungs­äußerungen oder Hervorhebungen.

Annett Gröschner, Arwed Messmer (Hrsg.): "Inventarisierung der Macht. Die Berliner Mauer aus anderer Sicht", Hatje Cantz, 1.328 S., 1.627 Abb., 98 € 

Mit der Tram unterwegs
Aus unterschiedlichsten Perspektiven kann man sehen, wie eine Tram durch die Stadt fährt – und wer unterwegs ein- und aussteigt. Überall versteckt Julie Völk in ihren zarten Zeichungen Hinweise, die zu hundert Geschichten führen. Fertig erzählen dürfen die Betrachter sie selbst. Hier wird das Querformat in voller Breite abwechslungsreich genutzt, die Feinheit des Strichs geht im Druck nicht verloren – und die Geschichte wird in Vor- und Nachsatz ansprechend an- und abmoderiert.

Julie Völk: "Guten Morgen, kleine Straßenbahn!", Gerstenberg, 32 S., 14,95 €, ab 3

Alle 25 prämierten Bücher finden Sie auf der Website der Stiftung Buchkunst.