Friedenspreisreihe "Zwischen Zeilen": Syrische Autoren in der Katharinenkirche

"Wenn ich zurückkehre, werde ich als Flüchtling zurückkehren"

19. Oktober 2016
Redaktion Börsenblatt
Vom Leben, Schreiben und Erinnern in der Fremde erzählten am Dienstagabend drei syrische Autoren in der Frankfurter Katharinenkirche – Auftakt der Friedenspreisreihe "Zwischen Zeilen", die mitten in der Buchmesse-Geschäftigkeit Raum für besondere literarische Begegnungen lässt.

"Wer bin ich, wenn ich hier bin?" Um diese Frage kreisten die Lesungen und Gespräche mit Rasha Abbas, Mohammad Al Attar und Aref Hamza. Die drei Autoren sind vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen und in der Anthologie "Weg sein – hier sein" vertreten, die zur Buchmesse im Secession Verlag für Literatur erscheint (mehr dazu hier).

Noch vor drei Jahren ist der Dramatiker Mohammad Al Attar für einen Theaterworkshop im syrischen Rakka gewesen, hat dort mit jungen Leuten gearbeitet. Heute werde das antike Rakka durch Bomben zerstört und sei zum Spielball der politischen Mächte geworden, so der Theaterautor, der auch deutlich machte: "Das Schicksal der Syrer liegt inzwischen nicht mehr in ihren eigenen Händen."

Was wäre, wenn der Krieg vorbei wäre? "Dann würde ich am nächsten Tag zurückkehren", so Al Attar, der allerdings wenig Hoffnung hat, dass dieser Tag bald kommen wird. Auch der Lyriker Aref Hamza würde, wenn die Waffen schweigen, sofort zurück nach Syrien gehen – wenn seine beiden Kinder, 6 und 9 Jahre alt, nicht wären: "Sie sind zufrieden hier in Deutschland, haben Freunde. Das ist wichtig für mich." In einem Gedicht von Aref Hamza, das gestern in der Katharinenkirche zu hören war, heißt es: "Wir haben die Bomben überlebt – und jetzt ist das Leben zu weit weg, als dass wir es uns zurückholen könnten". Und ein paar Zeilen weiter: "Wenn ich zurückkehre, werde ich als Flüchtling zurückkehren."

Von einem Leben als Entwurzelte erzählt die Autorin Rasha Abbas in ihrer Kurzgeschichte "Sie können mich Samt nennen". Sie selbst habe in Deutschland schon sehr viele Menschen gekannt, das habe ihr das Ankommen in einem fremden Land, einer fremden Sprache leichter gemacht, so Abbas, die sich dem ernsten Thema auch von einer humorvollen Seite genähert hat – in ihrem Buch "Die Erfindung der deutschen Grammatik", das bei Mikrotext erschienen und aus Facebook-Posts entstanden ist.

Neben den drei jungen Autoren saß ein Schriftsteller auf dem Kirchenpodium, der schon 1980 aus dem Irak nach Deutschland geflohen ist: Najem Wali. Er habe damals bei Null angefangen, wie ein Kind alles neu lernen müssen, erinnert sich Wali. In diesem Jahr gehörte der Autor und Germanist zur Jury des Deutschen Buchpreises: "Mein schönste Anerkennung nach 36 Jahren in Deutschland." Irakischer Schriftsteller, deutscher Schriftsteller, deutsch-irakischer Schriftsteller – als was würde er sich selbst bezeichnen? Walis Antwort auf die Frage von Moderatorin Christine Thalmann lautete, ganz einfach: "als Schriftsteller".

Nicht verpassen – die nächsten Termine der Reihe "Zwischen Zeilen", die der Literatur aus Kriegs- und Krisengebieten gewidmet ist:

Mittwoch,  19. Oktober 2016, 18.00 Uhr

  • Ursula Krechel liest Fariba Vafi (Iran)
  • Edgar Rai liest In Koli Jean Bofane (Kongo)
  • Antje Rávic Strubel liest Kettly Mars (Haiti) und Yanick Lahens (Haiti)
  • Najem Wali liest Talib Abdulaziz (Irak)
  • Moderation: Martin Schult

Donnerstag, 20. Oktober 2016, 18.00 Uhr

  • Juri Andruchowytsch liest Akram Aylisli (Aserbaidschan)
  • Martin Mosebach liest Abdellah Taïa (Marokko)
  • Moritz Rinke liest Emrah Serbes (Türkei)
  • Ilija Trojanow liest Ashraf Fayadh (Saudi-Arabien) und Li Bifeng (China)
  • Moderation: Felicitas von Lovenberg

Freitag,  21. Oktober 2016, 18.00 Uhr

  • Sherko Fatah liest Atef Abu Saif (Gazastreifen)
  • Felicitas Hoppe liest Serhij Zhadan (Ukraine) und Abram Terz (Russland)
  • Michael Krüger liest "Aus den Kerkern Europas"
  • Janne Teller liest Mia Couto (Mosambik) und Yusef Komunyakaa (USA)
  • Moderation: Stephan Detjen

Samstag, 22. Oktober 2016, 18.00 Uhr

  • "Weil es sagbar ist" – Texte von Friedenspreisträgerin Carolin Emcke
  • Mit Gita Leber und Olaf Lewerenz
  • Musik: Bastian Fiebig, Saxofon

Alle Veranstaltungen finden in der Katharinenkirche an der Frankfurter Hauptwache statt.