Auszeichnung der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft

Mirna Funk erhält Uwe Johnson Förderpreis

21. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Für ihren Roman "Winternähe" ist Mirna Funk mit dem Uwe Johnson Förderpreis für das beste deutschsprachige Debüt der vergangenen zwei Jahre ausgezeichnet worden. Das hat die Mecklenburgische Literaturgesellschaft bekannt gegeben. Der mit 3.000 Euro dotierten Preis wird am 18. September in Neubrandenburg überreicht. "Winternähe" erscheint am 23. Juli bei S. Fischer.

Jurysprecher Carsten Gansel, Professur für Neuere deutsche Literatur und Literatur- und Mediendidaktik an der Universität Gießen, begründete die Entscheidung wie folgt:

"Mirna Funks erster Roman ist ein Text, der durchaus wie Uwe Johnsons nachgelassenes Debüt 'Ingrid Babendererde' gegen 'einfache Wahrheiten' angeht. Man meint zu erkennen, dass hier eine Autorin am Werk ist, für die Schreiben ebenfalls so etwas ist wie ein 'Prozeß der Wahrheitsfindung' ist. Es geht wie bei Uwe Johnson um Erinnerung und um die Shoa. Die Figuren sind mit Schuld und Verrat konfrontiert. Dabei nutzt Mirna Funk Dokumentarisches und baut in ihre Fiktion verbürgte Fakten ein. Es kommt ihr darauf an, eine Sache anzusehen auf alle ihre Ecken und Kanten und wie sie miteinander zusammenhängen. Ganz so, wie es Gesine Cresspahl in den 'Jahrestagen' sagt. Freilich gibt es einen Unterschied zu Johnsons 'Person' Gesine: Lola, die Hauptfigur bei Mirna Funk,  ist nicht nur kontemplativ-analytisch angelegt. Sie ist emotional und fragt sich, ob und wie in der Familie die einzelnen Verantwortung übernehmen oder auch nicht. Ihre Eltern lassen sich als Gegenbeispiele zu Liesbeth und Heinrich Cressphal aus den 'Jahrestagen' lesen. Sie sind in gewisser Weise 'verantwortungslos'. Aber genau dies motiviert die Tochter Lola dazu, sich einzubringen, Zivilcourage zu entwickeln und unter die 'Kruste des Gewesenen'  (Uwe Johnson) zu schaun. Dabei ist ihr Blick auf mehrere Generationen der Familie gerichtet.

Mirna Funk wirft über die Figuren ihres Romans eine Reihe von Fragen auf, die Uwe Johnson hätten sympathisch sein können: Was hat uns in die gegenwärtige Lage gebracht und in welcher Weise sind wir von den Zeitläuften abhängig. Wollen wir so leben und warum nicht. Mirna Funk bringt mit ihrem Roman zudem eine globale Perspektive ein, sie erzählt von latentem Antisemitismus in Europa, sie spielt Kontroversen durch und bleibt dabei erzählerisch konsequent. Und nicht zuletzt fasziniert an ihrem Roman das, was man sinnliches erzählen nennen kann. Darin unterscheidet sie sich von Uwe Johnson."