Verleihung während der Frankfurter Buchmesse am 18. Oktober

Navid Kermani erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2015

19. Juni 2015
Redaktion Börsenblatt
Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat den deutschen Orientalisten, Schriftsteller und Essayisten Navid Kermani zum diesjährigen Träger des Friedenspreises gewählt. Das gab Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller soeben bei der Eröffnung der Buchtage Berlin bekannt.

Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. In der Begründung des Stiftungsrats heißt es:

„Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2015 an Navid Kermani. Der deutsche Schriftsteller, Orientalist und Essayist ist eine der wichtigsten Stimmen in unserer Gesellschaft, die sich mehr denn je den Erfahrungswelten von Menschen unterschiedlichster nationaler und religiöser Herkunft stellen muss, um ein friedliches, an den Menschenrechten orientiertes Zusammenleben zu ermöglichen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten, in denen er Fragen der Mystik, der Ästhetik und der Theodizee insbesondere im Raum des Islam nachgeht, weisen Navid Kermani als Autoren aus, der mit großer Sachkenntnis in die theologischen und gesellschaftlichen Diskurse einzugreifen vermag. Die Romane und Essays von Navid Kermani, insbesondere aber auch seine Reportagen aus Krisengebieten zeigen, wie sehr er sich der Würde des einzelnen Menschen und dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß, und wie sehr er sich für eine offene europäische Gesellschaft einsetzt, die Flüchtlingen Schutz bietet und der Menschlichkeit Raum gibt."
Navid Kermani, geboren am 27.11.1967 in Siegen, studierte Islamwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft. Bereits mit seiner Dissertation „Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran" sorgte er 1999 im Feuilleton und in der Fachpresse für Aufmerksamkeit. Neben seiner Tätigkeit als Dramaturg am Theater an der Ruhr in Mühlheim (1994/95) und am Schauspielhaus Frankfurt (1998/99) schrieb er zudem regelmäßig Literaturkritiken und Reportagen. 1994 gründete er in Isfahan das erste internationale Kulturzentrum, das infolge von Spannungen im deutsch-iranischen Verhältnis 1997 wieder schließen musste.

Nach einem Forschungsaufenthalt am Berliner Wissenschaftskolleg und der Veröffentlichung von „Das Buch der von Neil Young Getöteten" (2002) und „Schöner neuer Orient. Berichte von Städten und Kriegen" (2003) hat sich Kermani entschieden, fortan als freier Schriftsteller zu arbeiten. Gleichwohl habilitierte er sich 2005 im Fach Orientalistik mit der grundlegenden Studie „Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte". 2010 hielt Kermani die Frankfurter Poetikvorlesungen, ein Jahr später erschien sein Roman „Dein Name", für den er mit dem Joseph-Breitbach-Preis (2014) geehrt wurde. 2014 analysierte er in einer vielbeachteten Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich der Verkündung des Grundgesetzes vor 65 Jahren dessen normative Kraft und kritisierte zugleich die deutsche Asylgesetzgebung.

Die literarischen Arbeiten Kermanis, die im Ammann Verlag und seit 2011 im Carl Hanser Verlag erschienen sind, thematisieren wie zuletzt in „Große Liebe" (2014) die Grundfragen und Grenzerfahrungen der menschlichen Existenz wie Liebe und Sexualität, Verzückung und Tod. Wie in „Zwischen Koran und Kafka. West-östliche Erkundigungen" (2014) sind die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen, im Verlag C.H. Beck herausgegebenen Bücher der Koran und die islamische Mystik. Zudem berichtet er in zahlreichen Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten, die unter anderem in „Ausnahmezustand. Reisen in eine beunruhigte Welt" (2013) erschienen sind.

Für sein Werk und das gesellschaftliche Engagement hat Navid Kermani weitere Preise erhalten, darunter Hessischer Kulturpreis (2009), Hannah-Arendt-Preis (2011), Buber-Rosenzweig-Medaille (2011), Heinrich-von-Kleist-Preis (2012), Kölner Kulturpreis (2012), Cicero-Rednerpreis (2012) sowie den Gerty-Spies-Literaturpreis (2014).

Navid Kermani lebt seit 1988 in Köln und ist mit Katajun Amirpur verheiratet, die als Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Hamburg lehrt. Das Paar hat zwei Töchter.