Libri.Campus in Bad Hersfeld

Ein Geiger-Zähler für die Glücksgefühle der Kunden

6. Juli 2015
von Christina Schulte
Rund 300 Buchhändler, dreimal zwei Tage, Theorie und noch viel mehr praktische Übungen: Das ist der Libri.Campus, der in diesem Jahr zum 12. Mal in Bad Hersfeld stattfindet. Das Motto 2015: „Good vibrations! Mit Faszination und Motivation die Kauflust steigern“.  

Es geht lebendig zu im Workshop-Raum. Flipcharts sind aufgestellt, dicke Filzstifte werden verteilt, die Buchhändler haben sich in Gruppen aufgeteilt. Wie war das doch gleich mit dem Markenkern? Und wie lässt sich ein griffiger Slogan formulieren, der die Kunden packt? Was eben in der Theorie noch ganz einfach schien, lässt sich in der Praxis gar nicht so leicht umsetzen. Aber im kollegialen Austausch fließen schon nach kurzer Zeit kreative Vorschläge und werden auf den Flipcharts festgehalten.

Rund 80 Buchhändler sind am Donnerstag und Freitag dieser Woche von Libri nach Bad Hersfeld eingeladen worden. Drei Dinge sind dabei wichtig, wie Bertram Pfister, Vertriebsleiter bei Libri, eingangs schmunzelnd betonte: „Sie sollen sich hier wohlfühlen, es soll Ihnen an nichts fehlen und es soll Ihnen Spaß machen.“ Nichts sei so schlecht wie schlechte Stimmung, das gelte vor allem auch für die Atmosphäre im Handel – „wo wir wieder beim Thema unseres Campus‘ sind“, so Pfister. Eine gute Stimmung im Laden bewusst zu erzeugen und aus der Zufälligkeit herauszuholen, das solle ein Ziel der Veranstaltung sein.

Wie aber soll das erreicht werden: Faszination, Motivation, gute Stimmung? Dafür hält der Campus ein ganzes Bündel von Anregungen bereit – konzipiert und vorgestellt von den Beratern Arnd Roszinsky-Terjung (Buchconsult) und Andreas Meyer (Verlagsconsult), von Beginn an Macher der Veranstaltung. Auch dieses Mal haben sie Gäste eingeladen, die den Blick über den Tellerrand ermöglichen, wie etwa den österreichischen Sporthändler Bernhard Bründl. 21 Intersportläden gehören der Familie Bründl in Skiorten wie Ischgl oder Kaprun, damit ist Bründl der größte Intersporthändler in der Alpenrepublik.

Einen (bislang unerfüllten) Wunsch hegt Bründl seit vielen Jahren: Er hätte gern einen Geiger-Zähler für die Glücksgefühle des Kunden mit einer Skala von eins bis zehn. Wie kommt der Kunde in den Laden und wie verlässt er ihn? Sein Ziel: Die Glücksgefühle der Konsumenten durch den Besuch seiner Sportgeschäfte zu steigern. Dabei setzt Bründl vor allem auf die Talente und Kompetenzen seiner Mitarbeiter, sie seien es, wodurch sich seine Geschäfte von anderen Sportgeschäften differenzieren würden. Sein Credo: „Ich möchte meine Mitarbeiter zu Fans machen“. Dazu zählen Schlagworte wie Disziplin, klare Regeln, Wertschätzung, Respekt, eigene Projekte, Verantwortung, Spaß. Die allerdings nicht als leere Floskeln, sondern im Unternehmen gelebt.

In seine rund 330 Angestellten investiert Bründl einiges, so gibt es beispielsweise eine eigene Akademie, an der die Mitarbeiter fortgebildet werden, sei es bei Workshops in der Natur oder in Sachen Achtsamkeit. Bründl nennt das „Lebensschule“. Auch ungewöhnliche Kollegen haben bei ihm eine Chance. In einem Sportgeschäft arbeitet ein Zweimetermann, Basketballspieler, der zwar kein begnadeter Verkäufer, aber ein guter Entertainer ist – und die Kunden bei Laune hält, wenn sie beim Skiverleih Schlange stehen müssen. Auch das schaffe gute Stimmung und ein positives Verkaufsumfeld. „Magic Moments“ erzeugen, das ist es, was Bründl möchte.

Auch in der Werbung stellt Bründl seine Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Sie spielen die Hauptrollen in einem Film über das Unternehmen, sie sind auf Werbematerialien abgebildet. Manfred etwa, dessen Konterfei einen Bus ziert. „Wenn die Leute in den Laden kommen, sehen sie Manfred und haben den Eindruck, dass sie ihn schon lange kennen.“ Und schließlich findet er mit Hilfe seiner Mitarbeiter auch neue Kollegen. „Der Wettbewerb findet doch auf dem Personalmarkt statt – und gute Mitarbeiter kann man nicht so einfach kaufen“, weiß Bründl. 

Zum Nachdenken regte auch Bründls Hinweis an, dass er Lehrlinge, wie die Azubis in Österreich heißen, gegenüber Kunden nicht als solche kenntlich macht. „Das Ergebnis ist doch nur, dass die Kunden fragen, ob sie nicht von einem erfahrenen Verkäufer beraten werden können. Frustrierend für den Nachwuchs!“ Auch den doppeltdeutigen Begriff „geringfügig beschäftigt“ würde er am liebsten aus dem allgemeinen Wortschatz verbannen. Eine Petitesse vielleicht, aber möglicherweise das entscheidende Quentchen mehr Wertschätzung, das er seinen Mitarbeitern entgegenbringt.