Interview mit dem Autor und Blogger Stevan Paul

Mutlose Kochbuchverlage?

31. März 2015
von Börsenblatt
Nach starken Zuwächsen schwächelt der Kochbuchmarkt: Im Januar und Februar gingen die Umsätze laut GfK Entertainment im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um 8 Prozent zurück. Fehlen die richtigen Titel? Emotionale, bunte Kochbücher mit Geschichten und Menschen sind gefragt, meint der Koch, Foodstylist, Kochbuchautor und Foodblogger Stevan Paul.

Sie haben mit "Auf die Hand" einen Kochbuchbestseller bei Brandstätter veröffentlicht, bringen jetzt bei Gräfe und Unzer "Jeden Tag einfach lecker Veggie-Küche" heraus und im Herbst ein Märchenkochbuch bei Hölker. Können Sie nicht treu sein?In der Literatur ist es so, dass ich Verlagstreue sehr schätze – das ist ein hohes Gut. Es macht Sinn, gemeinsam durch Dick und Dünn zu gehen. Bei den Kochbüchern ist die Situation eine völlig andere. Denn nicht jeder Verlag kommt für jedes Kochbuch in Frage und nicht jeder Verlag möchte jedes Kochbuch auch machen. Denn jeder hat seine stark umrissene Zielgruppe. Das ist der Grund, weshalb auch ich und das gern mit mehreren Kochbuchverlagen zusammen arbeite.

Gibt es so etwas wie eine "Hauptbeziehung"?Das wäre für mich der Christian Brandstätter Verlag. Er macht wirklich großartige Bücher, für die richtig Geld in die Hand genommen wird und er hat Mut, auch mal etwas anderes zu machen. Als "Auf die Hand" herauskam, war die Streetfoodkultur noch ein ganz zartes Pflänzchen, aber Nikolas Brandstätter hat gesagt: Wir machen das. Jetzt geht das Buch – das Oktober 2014 erschien schon in die dritte Auflage. Trotzdem bin ich mit meinem Märchenkochbuch zu Hölker gegangen. Weil es eben nicht so gut in das Brandstätter-Portfolio passt.

Wie läuft das – gehen Sie auf die Verlage zu oder ist es umgekehrt?Mal so, mal so. Gerade haben wir eine recht ungewöhnliche Beziehungsanbahnung erlebt. Wir hatten eine App mit vegetarischen Rezepten für jeden Tag entwickelt. Die heißt ‚Go Veggie!' Gräfe und Unzer fand das toll und hat angeboten, das zu kaufen. Wir haben das alte Team noch mal zusammen getrommelt und für das Buch, das jetzt erscheint, alle Rezepte noch mal nachgekocht und neu fotografiert. Für ein Buch war die Bildsprache der App einfach zu nüchtern. Jetzt haben wir mit der ersten Koch-App, die als Buch erscheint, Geschichte geschrieben. Alle haben ja immer behauptet, das wäre nur andersrum möglich.

Gibt es keine Eifersucht zwischen den Verlagen, wenn Sie zwischen den verschiedenen Häusern pendeln?Sicher, man schaut schon mit Argusaugen drauf, was ich da tue. Es gibt durchaus Verlage, die einen gern als Hausautor hätten. Aber ich glaube eben daran, dass bestimmte Bücher zu bestimmten Verlagen passen – und zu anderen nicht. Manche greifen aber auch einfach nicht zu. "Auf die Hand" zum Beispiel wollte anfangs niemand. Damit bin ich wirklich herumgereist und zwar von Lieblingsverlag absteigend. Letztlich haben wir dann mit eigenem Geld produziert. Und dann wollten es plötzlich alle haben.

Ist es nicht ärgerlich, wenn man einem Autor, der sich wie Sie doch schon mehrfach bewährt hatte – das – wie sich ja herausstellte – wunderbare Konzept ablehnt....Ich verstehe die Befindlichkeiten der Verlage. Kochbuchverlage sind in der ersten Linie Wirtschaftsunternehmen. Klar, bespreche ich mit ihnen die Kalkulation und die wahrscheinliche Verkäuflichkeit meines neuen Kochbuches. Aber letztlich ist es ihr Risiko, deshalb dürfen die auch gern Nein sagen. Ist dann halt so.

Fehlt es den Verlagen manchmal an Mut? An Vertrauen?Das ist das einzige, das man deutschen Kochbuchverlagen vorwerfen könnte. Die Mutlosigkeit und das Fehlen von Innovationsgeist. Man kauft lieber einen weiteren Titel aus den USA oder GB – bevor man selbst etwas auf die Beine stellt. Es gibt so viele tolle Autoren, tolle Fotografen, tolle Foodstylisten. Trotzdem haben die Lizenzkäufe immer Vorrang. Man ist wenig bereit, eigene Konzepte zu entwickeln, auch gemeinsam mit dem Kochbuchautor. Für mich ist es ein absolutes Kriterium bei der Auswahl der Verlage, mit denen ich gern zusammen arbeite. Es sind die, die gemeinsam mit mir schauen, was man Spannendes, Neues machen kann.

Wie würden Sie das aktuell Spannende auf dem Kochbuchmarkt beschreiben?Das ist gar nicht mehr der Teller. Das ist der Weg dahin, die Geschichten drumherum. Es gibt so viel zu erzählen, in der Kulinarik. Das ist es auch, was mich interessiert. Im Sommer machen wir den zweiten Band von "Auf die Hand". Dafür besuchen wir aber nicht wieder irgendwelche Streetfood-Stände. Wir fahren mit dem VW-Bus quer durch Europa und besuchen sechs Musik-Festivals, portraitieren die Leute, die da kochen, und ich bringe meine jahrelange Festival-Koch-Erfahrung mit. Das wird wieder so ein buntes Buch mit Geschichten und Menschen. Und mit viel Emotionalität. Darum geht es doch eigentlich und darum, dass wir die viel zu lange schon bloß als Lizenz einkaufen. Wir denken, wir könnten das nicht im eigenen Land. Dabei können wir genau das längst richtig gut.

Stevan Paul bloggt unter www.stevanpaul.de.

Am Donnerstag, 2. April, erscheint das Börsenblatt Spezial Essen & Trinken mit allen Zahlen und vielen Themen rund um den Kochbuchmarkt.