Neu im Regal - Lesetipp der Woche

Fluch und Segen

26. März 2015
von Börsenblatt
Gold halten Buchhändler für gewöhnlich selten in den Händen, es sei denn, sie finden es zwischen zwei Buchdeckeln. Auch bei Monika Steinkopf ist das so. Was bei ihr anders ist: Sie hat sich schon immer für den Mythos interessiert, der mit dem Edelmetall verbunden ist, und hat nun ein Buch darüber veröffentlicht, den Bildband „Gold“ (Reclam).

Links die Literatur, rechts die Kunst. Monika Steinkopf, Buchhändlerin in Frankfurt, räumt optisch auf, und bringt mit der klaren Struktur, die sie für den von ihr herausgegebenen Bildband gewählt, Ordnung in ein Thema, das ja vor allem eines ist: ambivalent. Gold steht für Macht und Missgunst, aber auch für Schönheit und Leidenschaft, Hoffnung und Glück. Für Fluch – und Segen.

Steinkopf spart nichts davon aus. Sie hat in den Bibliotheken der Welt zunächst zusammengetragen, was sich über den Gold-Mythos finden lässt; präsentiert diese (meist) literarischen Fundstücke dann auf der linken Seite des Buches – und illustriert sie auf der rechten Seite mit einem Bild. So arrangiert sie etwa Andreas Gryphius‘ Sonnett „Menschliches Elende“ mit einem Gemälde von Lukas Cranach dem Älteren (auf dem der Kardinal Albrecht von Brandenburg als Heiliger Martin mit gold-durchwirktem Mantel zu sehen ist). F.W. Bernsteins Triptychon über „Essbestecke“ mit einem Foto, auf dem vornehmstes Vermeil-Besteck zu sehen ist. Und einen Sinnspruch von Friedrich Hebbel („Das Leben ist eine in siebenfaches Goldpapier eingewickelte Bittermandel“) mit einem Werk aus der „Gold Painting“-Serie von Robert Rauschenberg. Das Buch könnte auch gut als Begleitbuch zu einer Ausstellung durchgehen. Einer Ausstellung, die informiert und überrascht, und dabei seltsamen Sog entfaltet, auch wenn einem das Thema vorher rein gar nichts sagte: Gold, Gold, Gold!

Die Tatsache, dass das Buch im Moment in ihrer Frankfurter Buchhandlung ein Bestseller ist (wie sie sagt), verwundert nicht. Erklärt sich aber noch durch einen anderen Faktor, als nur den Faktor Faszination: In gut einer Woche, am 8. April, wird die 74-Jährige zum letzten Mal ihre „Berger Bücherstube“ öffnen – einen Nachfolger gibt es nicht.

Von ihren Frankfurter Kunden verabschiedet sich die Buchhändlerin mit einem literarischen Programm, das mit dem Motto überschrieben ist, das sie seit der Gründung ihrer Buchhandlung (1978) begleitet: „Lest, um zu leben“ (ein Zitat von Flaubert). In den vergangenen Tagen organisierte sie bereits eine Lesung mit der Autorin Gudrun Rathke und eine Ausstellung rund dem Stadtschreiberpreis von Bergen, den sie über Jahrzehnte maßgeblich prägte.

Von Tamara Weise