bookbytes-Blogger Stephan Selle

Von MACup nach Motown

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Bookbytes ist online, der neue Tech-Blog von boersenblatt.net. 20 erfahrene Autorinnen und Autoren schreiben hier von Anfang an regelmäßig über die E-Themen der Branche, darunter Katja Splichal, Steffen Meier und Nikola Richter. Und Stephan Selle, den wir Ihnen hier vorstellen.

Wer als hoffnungsvoller Jungakademiker Mitte der Achtziger seine defekte Brother-Schreibmaschine zum Preis eines Mittelklassewagens durch einen Apple Macintosh ersetzte, konnte binnen weniger Monate vom Spezialisten für romantische Poetik zum Experten „in RAM, ROM und KiloBytes“ werden. Stephan Selle (*1954), der eigentlich Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte studiert hatte, verabschiedete sich von der Uni-Karriere und gehörte fortan zum Kreis der Eingeweihten in der Hamburger Redaktion der Zeitschrift MACup. Die Kolumnen, die er dort bis vor wenigen Jahren veröffentlichte, lesen sich noch immer ziemlich unterhaltsam; ein Best-of der frühen Jahre ist inzwischen als Kindle Edition erschienen.

1990 gründete Selle in Hamburg die Softwarefirma zweitwerk, spezialisiert auf die Entwicklung digitaler Archive, Produktions- und Workflowlösungen für die Medienbranche. Seinen geisteswissenschaftlichen Wurzeln wollte Selle jedoch auch als CEO nicht abschwören: Als Lehrbeauftragter für Medienkultur an der Uni Hamburg (bis 2007) und Medientheorie an der Medienakademie Hamburg hält er bis heute Seminare und publiziert fleißig; in loser Folge stellt er Texte in sein maiblog. Die dritte Liebe gilt der Musik: Als Saxophonist und Keyboarder war Selle aktiv; nach dem Ruhestand ihres  Gitarristen hat sich seine Band „Uptown“ inzwischen leider aufgelöst.

Zu großer Form läuft Stephan Selle nicht nur an den Tasten oder beim Hören alter Motown-Scheiben auf, sondern auch, wenn es gilt, die historische Dimension medialer Phänomene zu beschreiben. Als Speaker auf der E:Publish erklärt der Mann schon mal, wie die gute, alte Langspielplatte zu ihrem Format kam – und warum sie, beidseitig abgespielt, 60 Minuten dauert. „Die IT-Welt, in der ich unterwegs bin, ist eine reine Präsens-Branche – es zählt nur, was aktuell ist.“ Viel spannender ist für Selle, dass sich Mediengeschichte seit zirka 3000 Jahren ständig zu wiederholen scheint: Hat nicht schon Klopstock seinen „Messias“ per Crowdfunding-Kampagne verkauft? Wenn ein in der Wolle gefärbter Literaturwissenschaftler und Historiker sein Besteck an neuesten Technologie-Entwicklungen wetzt, entstehen Funken – darauf darf man sich auch bei bookbytes freuen. „In der Geschichte der Menschheit gab es schon mindestens 120 Medien-Revolutionen“, lacht Stephan Selle. „Wir sind nur eine davon.“

Für BookBytes hat Stephan Selle den interaktiven Roman "80 Days" getestet und sich anschließend Gedanken über das interaktive Erzählen gemacht. Hier geht es zu seinem Beitrag