Sinkende Auflagenzahlen der Printmedien, schrumpfende Umfänge der Feuilletons, Reduzierung der Zahl der Rezensionen, eine unendliche Diversifizierung im Internet und der damit verbundene Verlust der voreinst so selbstverständlichen Deutungshoheit – die klassische Literaturkritik befindet sich zumindest in einer Phase der tiefgreifenden Verunsicherung. Oder ist es vielleicht schon mehr, viel mehr? Zum 20. Mainzer Kolloquium an der Johannes-Gutenberg-Universität waren Experten zusammen gekommen, um darüber zu diskutieren. Und die vom Institut für Buchwissenschaft in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein und der Gutenberg-Gesellschaft Mainz organisierte Veranstaltung ging mit ihrem Titel sogar noch einen Schritt weiter: "Das Ende der Literaturkritik?", so stand es auf dem Tagungsplan, wobei so mancher noch dankbar für das gnädige Fragezeichen gewesen sein dürfte.
Beschlossen wurde der Tag von Herbert Grieshop. Der promovierte Literaturwissenschaftler hat mit seinem Blog www.herbertliest.de etwa 1700 Follower, denen er ausschließlich Empfehlungen ausspricht. Selbst Grieshop wollte die herkömmliche Kritik nicht für tot erklären, prognostizierte ihr aber ein reines Nischendasein zwischen anderen hoch spezialisierten Randthemen.
Ist das die Perspektive? In der abschließenden Gesprächsrunde herrschte bemerkenswerte Offenheit. Wo die Literaturkritik in fünf Jahren stehe? "Keine Ahnung", sagt Uwe Wittstock. Dass die Gegenwart nicht ganz so düster ist wie häufig beschworen – dafür allerdings war das Mainzer Kolloquium ein eindeutiger Beleg.