Verkauf des Schott-Archivs

"Vielfache Querbezüge werden unkenntlich gemacht"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Nach mehrjährigen Verhandlungen wird das historische Archiv des Schott-Verlags an ein Konsortium verkauft und verteilt, das neben der Bayerischen Staatsbibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin sechs Forschungseinrichtungen mit unterschiedlichem Sammlungsprofil umfasst. Ist die jetzt gefundene Lösung eine Grund zur Freude? Ja und Nein, meint die Archivarin Thekla Kluttig.

Am 24. November wurde der Verkauf des Schott-Archivs bekannt gegeben, des bislang in seiner Größe und Geschlossenheit bedeutendsten Archivs eines deutschen Musikverlags. Während etwa die Leipziger Verlage Breitkopf & Härtel und C. F. Peters durch Krieg und deutsch-deutsche Teilung von Verlusten und Aufteilungen betroffen waren, konnten die Verleger in Mainz die Integrität des Archivs über viele Generationen bewahren. Ist die jetzt gefundene Verhandlungslösung ein Grund zur Freude?

Ja, weil das Archivgut nun in öffentlichen Institutionen auf Dauer bewahrt und unter besseren Bedingungen zugänglich gemacht werden wird, als dies das Wirtschaftsunternehmen SCHOTT MUSIC GmbH & Co KG auf Dauer hätte leisten können.

Nein, weil dem Ankauf eine Aufteilung des Archivguts auf die acht Einrichtungen folgen wird, die für eine kontextorientierte musikwissenschaftliche Forschung mitnichten die "bestmögliche Nutzbarkeit" bedeutet, wie es die Einladung zum Pressetermin am 3. Dezember versprach. Denn dadurch werden Kontexte, werden die vielfachen Querbezüge unkenntlich gemacht, die innerhalb des Verlagsarchivs zwischen Akten, Geschäftsbüchern, Herstellungsunterlagen, Musikalien und Korrespondenzen bestehen. So werden durch die Trennung von Kopierbüchern und eingegangenen Briefen künftig Korrespondenzwechsel zwischen Komponisten und Verlag auseinandergerissen sein.

Beeinträchtigt wird aber nicht nur die Wahrnehmung der Kontexte, sondern auch der verlegerischen Leistungen und Einflüsse: Die Aufteilung verstärkt die Fokussierung auf die Komponisten, während Verlag und Verleger als Mit-Gestalter des Musiklebens in den Hintergrund verbannt bleiben. Hier bleibt nur zu hoffen, dass andere Verleger, denen die historische Rolle ihres Hauses am Herzen liegt, dem Beispiel Schott nicht folgen werden.

Schließlich rückt der Verkauf eine sich weitende Kluft ins Bewusstsein: zwischen Spitzeninstitutionen, für die Millionensummen für Ankäufe und Digitalisierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, und der großen Zahl von mittleren und kleineren Archiven, Bibliotheken und Museen, bei denen die Fundamente bröckeln.