Abschluss der Zukunftskonferenz 2014

Reformer wollen Tempo machen

16. Juli 2015
von Börsenblatt
So sieht der Börsenverein im Jahr 2020 aus: Er wird seine Dreigliederung nach Sparten durch themenzentriert arbeitende Task Forces oder Kommissionen ersetzt haben. Seine Wirtschaftstöchter wird er lukrativ verkauft haben. Autoren, Selfpublisher, technologische Dienstleister, große Online-Händler, überhaupt alle Teilnehmergruppen am Buchmarkt wird er als Mitglieder gewonnen haben: ein Verein im Futur II.

Mit anderen Worten: Bis das tatsächlich so kommt, müssen Veränderungen abgeschlossen sein, die jetzt noch gar nicht begonnen haben. Aber die rund 100 Teilnehmer der Zukunftskonferenz 2014 hatten am Freitag ihre Freude daran, in einer Mischung aus Prognose und Vision ein solches Bild ihres Interessenverbands zu entwerfen.

Reformarbeit kann Spaß machen – wenn die Reformer sich mal trauen, für ein paar Stunden „nicht im Diskussionsmodus“ zu verharren, sondern frei, offen, mutig und bei wertschätzendem Interesse für andere Meinungen zu denken. Mit diesem Vorschlag, der beherzt angenommen wurde, schickte der Moderator der Tagung, Simon Blake von der Berliner Agentur Launchlabs, am Freitagmorgen die Konferenzteilnehmer in die Arbeitsgruppen.
Aufgabe dort: Stellt euch zum Beispiel vor, ihr macht eine Tagesschau im Jahr 2020 oder 2030, und eine Nachricht handelt vom dann komplett reformierten Börsenverein. Oder ihr findet ein Schatzkästlein voll alter Fundstücke, die auf einen Reformprozess hindeuten, der im Jahr 2014 auf einer Konferenz am Mediacampus in Frankfurt angestoßen wurde…
Die spielerischen Vorgaben erreichten ihr Ziel: zu animieren und zu inspirieren, damit die Gemeinschaft der Buchbranchenprofis einmal nicht das immer schon Gewusste und Geglaubte reproduziert, sondern ihren Sinn für die Möglichkeit schärft, dass manches im Berufsleben auch anders gehen könnte. Die späteren Präsentationen vor dem Plenum waren – von ihrem hohen inhaltlichen Ertrag abgesehen – ein Beweis für das, was Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis am Ende des Tages „die fast schon irritierende Kreativität, Spontaneität und Klarheit“ nannte, mit der „lauter ernsthafte Menschen unserer Branche die Zukunft zu gestalten beginnen“.
Fast allen Vorstellungen gemein war die Überwindung der Dreispartigkeit zugunsten zeitgemäßer, themenzentrierter, dynamischer Organisationsformen – ob sie nun Taskforce, Kommission, Arbeitsgruppe oder Runder Tisch genannt werden mögen. Durchgängig vertreten war auch ein Element der Öffnung hin zu einem komplexer gewordenen Markt. Dessen vielfältig spezialisierte Akteure sollen im Prinzip alle für eine Mitgliedschaft in einem Verband in Frage kommen, der seinen Anspruch auf die Gesamtvertretung der Buchbranche nicht aufgeben will. Man fühle sich zuständig, so hieß es in einer der futuristischen Tagesschau-Meldungen, „für den Erfolg aller Marktpartner zu arbeiten, die Wissen und Unterhaltung erschließen“.
Mehrheitlich vorgeschlagen wurde die Trennung des Verbands von seinen Wirtschaftstöchtern. An deren Stelle soll, was die Funktion der Mitfinanzierung von Verbandsarbeit anlangt, nach der Idee einer Gruppe ein Lizenzerlös-Modell treten. Im Übrigen werden sich infolge eines „Boosts in der Mitgliederakquise“ auch die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen glänzend erholen, meinten die Prognostiker zuversichtlich.
Eine andere „Tagesschau“-Sendung aus dem Jahr 2034 erläuterte das „Seckbacher Prinzip“ einer dann nicht mehr Börsenverein, sondern Spitzenverband Content & Media heißenden Interessenvertretung: Dieses Seckbach-Prinzip besteht darin, dass nur noch die Kernaufgaben wie Lobbyarbeit und Rechtsauskünfte aus Mitgliedsbeiträgen finanziert werden, alle anderen Aufgaben hingegen in Projektform in zumeist interdisziplinär aufgestellten Teams bearbeitet und finanziell von denjenigen Mitgliedern getragen werden, denen das entsprechende Projekt nützlich erscheint.

 

Die Modifikation dieses Ansatzes präsentierte eine weitere Gruppe, die das Bild einer Dachorganisation Börsenverein zeichnete mit darunter versammelten Einzelverbänden, die gegebenenfalls Aufgaben an den Börsenverein delegieren, beispielsweise die Ausrichtung von Kulturpreisen.

In den „Schatzkästlein“, die einige Arbeitsgruppen coram publico des Plenums öffneten, fand sich zum Beispiel ein Brief aus dem Jahr 2024, in dem berichtet wird, dass zehn Jahre nach der „legendären Seckbacher Konferenz“ die DNA der Branche entschlüsselt sei: „Es ist Denkstoff, der uns zusammenhält.“

Die ganze Fülle weiterer Ideen und Inspirationen für den Bau an der Verbands- und Branchenzukunft kann hier nicht en detail referiert werden. Für alle, die spätestens jetzt neugierig auf die Ergebnisse der Zukunftskonferenz 2014 geworden sind: Die ausführliche Dokumentation der Ergebnisse gibt es in Kürze auf der Webseite der Konferenz – www.zukunftskonferenz.org. Dort kann auch weiter diskutiert werden.

Erstes Feedback der Teilnehmer gab es schon unmittelbar nach Abschluss der Präsentationen. Einhellig wurde der Methode und Moderationsleistung des Launchlab-Teams applaudiert. „Sie haben uns die Chance gegeben, einfach mal wild zu denken. Eine tolle Begleitung!“, lobte Junfermann-Geschäftsführer Stephan Dietrich. Aljoscha Walser von der Beratungsgesellschaft Narses gab kritisch zu bedenken, dass eine Zukunftskonferenz „ohne Beteiligung des Hauptamts ein noch freieres Denken und Reden ermöglicht hätte“.

DeGruyter-Chef Sven Fund mahnte eine zügige Umsetzung der Reformvorschläge an. Verbandschef Alexander Skipis will jedenfalls Tempo machen: Noch in der September-Sitzung des Vorstands wolle man die Ergebnisse aus Seckbach präsentieren und die nächsten Schritte besprechen. Bereits auf der Hauptversammlung 2015 in Berlin, so Skipis, sollten „erste, Weichen stellende Entscheidungen für die Verbandsreform getroffen werden“. Es wird, so viel scheint nach den zwei Frankfurter Zukunftstagen klar, in jedem Fall ein Reformprozess werden, dessen maßgebliche Impulse von den Mitgliedern ausgehen. Wie sieht der Börsenverein 2020 aus? Die Diskussion ist eröffnet.