Konditionenstreit

Autoren und Amazon

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Derzeit nimmt Amazon die Verlage in die Zange, schon bald könnte der Internet-Riese sich die Indie-Autoren vorknöpfen, meint Jörg Dörnemann. "Jede Wette, dass Amazon innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre die hohen Margen für Self-Publisher drastisch kürzen wird", so der Epubli-Geschäftsführer.

Yes we can. So ungefähr lautet Amazons Wahlspruch, den der Online-Händler derzeit besonders Hachette und Bonnier spüren lässt: Amazon verlängert willkürlich Lieferfristen, erhöht Preise und boykottiert die Vorbestellung von Büchern der beiden grossen Verlagsgruppen, um bessere Konditionen für sich selber zu erzwingen. Amazon kann sich das herausnehmen, weil seine Marktmacht bei einem Drittel im weltweiten Buchhandel und bei 50 bis 60 Prozent im E-Book-Handel liegt. Der Aufschrei allerorten ist verständlicherweise gross. Brutale Erpressung, heisst es, von Totalitarismus ist die Rede, gar von Krieg.

Die Situation ist denkbar unglücklich für die Verlage: Wenn sie sich Amazons Willen beugen, wird einmal mehr deutlich, wer das Sagen auf dem Buchmarkt hat – und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis es die nächsten Verlage trifft. Gehen Bonnier und Hachette nicht auf Amazons Forderungen ein, werden die Bücher dieser Verlage gar nicht mehr über Amazon verkauft.

Das bedeutet nicht nur den Verlust von Buchkäufern, die ihre Bücher nun einmal gern über Amazon beziehen, man denke da etwa an die Kindle-Leser, sondern womöglich auch den einiger Autoren, die nicht auf Amazon als Vertriebskanal verzichten wollen. Die langfristige Folge wäre das wirtschaftliche Aus für die Verlage. Nebenbei wird Amazon seinen Self-Publishing-Bereich verstärken und an seinen viel und schnell produzierenden verlagsunabhängigen Autoren (die ihre Bücher über Kindle Direct Publishing veröffentlichen) ordentlich verdienen.

Tatsächlich werden durch die Digitalisierung und die Möglichkeiten, die sie bietet, Verlage immer unwichtiger. Durch Self-Publishing, Plattformen, auf denen freie Lektoren, Illustratoren, Layouter ihre Dienste anbieten, und durch die sozialen Netzwerke, auf denen man in direkten Kontakt mit den Lesern treten kann, rücken Autoren immer mehr ins Zentrum der Macht.

Das verlagsunabhängige Bücherschreiben wird für Autoren immer attraktiver, dank der Flexibilität, der Schnelligkeit, der Unabhängigkeit und nicht zuletzt dank den hohen Margen, die bei bis zu 70 Prozent des Nettoverkaufspreises liegen. Da kann langfristig kein Verlag mithalten. Wo Büchermachen auf Knopfdruck passiert, haben die Türsteher, die entscheiden, welches Buch die Verlagspforte durchschreiten darf und welches nicht, deutlich an Sexiness verloren.

Was aber machen die Autoren mit ihrer neuen Macht? Genau da liegt das nächste Problem: nichts bzw. viel zu wenig. Im Amazon-Hachette-Bonnier-Streit haben sich bisher einige wenige Autoren zu Wort gemeldet, die entweder ihren Verlag in Schutz nehmen oder aber – so die erfolgreichen Self-Publishing-Stars wie der amerikanische Science-Fiction-Autor Hugh Howey – voll des Amazon-Lobes sind.

Was beide übersehen: Nur wer sich primär auf sich selber verlässt, kann auf Dauer ein erfolgreicher Autor sein. Denn nur das nachhaltige Aufbauen einer Autoren-Marke wird langfristig dazu führen, seine Leser zu halten und neue zu gewinnen. Glücklich die wenigen, denen Verlage dabei in Zukunft noch helfen (können). Wer sich dabei allerdings nur auf Amazon verlässt, ist ebenfalls schlecht beraten. Denn da Amazon das Potenzial von Autoren längst erkannt hat – siehe sämtliche Self-Publishing-Optionen von Kindle Direct Publishing und KDP Select über die Kindle Singles bis Create Space – und der Händler selbst vor den grössten Verlagshäusern keinen Halt macht, liegt der nächste Schritt auf der Hand.

Als Nächstes knöpft sich Amazon die Indie-Autoren vor. Jede Wette, dass Amazon innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre die hohen Margen für Self-Publisher drastisch kürzen wird. Beim Amazon-eigenen Hörbuchverlag Audible ist das übrigens bereits geschehen. Und wenn sich internationale Verlagskonzerne nicht gegen Amazons Vorgehen zu helfen wissen, wie soll das dann einzelnen Autoren gelingen?

Daher ist es jetzt allerhöchste Zeit für Autoren, umzudenken, das Autorensein ganz neu zu denken. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Bücher überall und nicht nur in einem Shop zu kaufen sind. Nur so vermeiden sie es, von Empfehlungsalgorithmen einzelner Händler abhängig zu werden. Sie müssen lernen, sich selber als Marke zu inszenieren, anstatt sich auf die immer mehr an Bedeutung verlierende Verlagsmarke zu verlassen. Nur so kann es funktionieren, dass die Autoren selber und nicht andere die Regeln bestimmen. Eine schöne Vorstellung, wenn bald nicht mehr Amazon, sondern die Autoren sagen: Yes we can.

Jörg Dörnemann ist Geschäftsführer von Epubli, einer Plattform für Self-Publishing und Print-on-Demand mit Sitz in Berlin-Kreuzberg. Dieser Beitrag erschein zuerst in der "Neuen Zürcher Zeitung".