Wer Wind sät, wird Sturm ernten

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Da nun öffentlich wurde, wie brutal Amazon die Bonnier-Verlage in der Rabattfrage attackiert, scheint die Zeit reif für einen Konter: Der Buchhandel ist klüger und schneller als Amazon. Meint Reinhold Joppich, Kiepenheuer & Witsch.

Intelligente, belesene Menschen bespielen die Deutschland-Zentrale Amazons in München. Es lässt sich gut mit ihnen plaudern, Projekte anschieben, verhandeln. Nur beim Thema Konditionen weicht die Entspannung beim ­einen oder anderen Jahres­gespräch. Aktuell bläst die Zentrale in den USA zum Sturmangriff auf die Festung Europa.
Offenkundige Ziele:

  •  Weg mit der störenden Preisbindung;
  •  Lohnsklaven, Leiharbeit unter unwürdigen Bedingungen (ARD, Verdi und Günter Wallraff haben für Aufklärung gesorgt);
  •  Steuern werden in Luxemburg gezahlt, so kann der Profit noch optimaler maximiert werden (»Ein asoziales Unternehmen« – Ranga Yogeshwar bei Jauch).

Mit der willfährigen Unterstützung der EU-Kommission will Herr Bezos die Verlage knebeln, alles unter dem fadenscheinigen Argument von Antitrust-Gesetzen. Absurd: Wir Verlage sollen nicht kommunizieren dürfen wegen der Sorge kartellwidriger Absprachen, aber Amazon darf sich mithilfe der EU-Bürokraten zum Monopolisten entwickeln.

Amazon will uns Verlagen die Autoren abjagen, verschweigt natürlich, dass sie ihren Autoren gegenüber nie und nimmer die Leistung der Verlage aufbringen werden – und auch nicht wollen.
Wie oft versuche ich, vor Autoren die Amazon-Rankingliste zu relativieren. Über 90 Prozent der Verbreitung des physischen Buchs funktioniert über den stationären Buchhandel. Auch wenn er belächelt wird: Wallraff ist konsequent und untersagt den Vertrieb seiner Bücher über Amazon.
Dank seines Engagements und kritischer Berichterstattungen in den Medien entwickelt sich eine Gegenbewegung. Wie erfreulich die Meldungen aus dem Buchhandel und über unsere Vertreter, die mich erreichen! Immer mehr Menschen wenden Amazon den Rücken zu und besinnen sich auf ihre ortsansässige Buchhandlung. Die Gunst der Stunde muss der Buchhandel nutzen und sich auf seine Stärken besinnen: ein Ort der Kommunikation, der Leselust, der kompetenten Beratung zu sein, nebst Pflege der Backlist. Und bitte keine Vasen, Duftwässerchen und anderen Schnickschnack. Das können andere besser.

Wir Verlage sollten unsere Solidarität zu den boykottierten Kollegen zum Ausdruck bringen. Seien wir doch gelassener, soll Herr Bezos uns doch alle auslisten, das wäre sein nächstes Eigentor und noch mehr Menschen würden Amazon mit Verachtung strafen.

Ach, lieber Börsenverein, lieber neuer Presidente, Ihr seid unser Verein, wann kommt die wirklich gute Kampagne: Der deutsche stationäre Buchhandel ist klüger, schneller und versierter als Amazon! Während bei Amazon tagelang die Lastwagen vor dem Tor stehen, Amazon seinen Kunden auf perfide Art vermittelt, Titel seien nicht lieferbar und damit auch vergriffen, bedient der Buchhändler seinen Kunden von einem auf den anderen Tag, dank der Barsortimente. Börsenverein, Buchhändler und Verlage müssen öffentlich werden. Und als letzte eindringliche Bitte an Euch: Sorgt bei den Politikern in Berlin weiter für klare Bekenntnisse zur Preisbindung. Beim physischen wie auch beim E-Book. Noch ist es nicht zu spät.