Internationale Jugendbuchmesse

Lizenzpoker und Modeträume in Bologna

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Überhitzte Lizenzsummen, Trendthemen wie Mode und Einsamkeit und ein neuer Gemeinschaftsstand: Nach vier Tagen ist heute Abend in Bologna die 51. Fiera del libro per ragazzi zu Ende gegangen. 53 deutsche Verlage waren dabei. 

Auch wenn der deutsche Kinderbuchmarkt nur um 0,3 %  und nicht wie der italienische um 3,1 % gewachsen ist, ist man bei den deutschsprachigen Verlagen zuversichtlich. „Gerade, wenn es im Markt schwieriger wird, muss man kreativen Mut haben – was ja auch jede Menge Spaß macht, sich ganz neue Dinge auszudenken“, sagt nicht nur Gerstenberg Verlagsleiterin Daniela Filthaut. Viele Gespräche und das Andenken und besprechen neuer Ideen kennzeichnen diese Internationale Jugendbuchmesse, bei der die Illustratoren ganz eigene Akzente setzen.

Mode und Einsamkeit

Ob es wirklich einen  Trend gibt, ist selten einfach zu beantworten, aber beim Gang durch die Messehallen fällt auf, wie häufig glitzrig-bunte Girlie-Themen zu Style, Mode und Accesoires entgegenleuchten. „Mädchen haben Spaß daran, ihre Lifestyle-Träume zu visualisieren“, meint Egmont-Verlagsleiter Volker Busch. „Mattel etwa ist Lizenzgeber für unsere neue Reihe „Ever after high“ und entwickelt einen Stilguide, es gibt Barbie-ähnliche Puppen und Bücher mit Grimmschem Märchenpersonal, mit Stickern und Schablonen.“ Bei der Beschäftigung mit Mode gibt es die unterschiedlichsten Formen, die oft zum Ausprobieren von Kleidung und Accesoires einladen. Ebenso auffällig ist im rein erzählenden Segment die Häufigkeit des Themas Einsamkeit. Egal ob charmante, zupackende Weltumkrempler oder sich für wunderliche Spezialgebiete interessierende Nerds: Die Helden leiden unter innerlicher Einsamkeit, teils sorgsam versteckt unter einer Maske an Fröhlichkeit, und wünschen sich nichts sehnlicher als die Teilhabe an wirklicher Gemeinschaft oder einen Freund fürs Leben.

Überhitzte Lizenzangebote

Ein weiteres Thema wurde nicht nur bei den deutschsprachigen Verlagen debattiert: „Ich habe den Eindruck, es gab noch nie eine solche Flut überhitzter Angebote von Agenten mit der Aufforderung, sofort zuzugreifen“, konstatiert Hanser Kinderbuch-Verlagsleiter Ulrich Störiko-Blume. „Die Auktionen selbst für Exposés nehmen in ihrer Heftigkeit zu“, bestätigt auch Oetinger-Lizenzchefin Renate Reichstein. Mit einem Minimum an Informationen wird versucht, Lizenzsummen für mögliche Bestseller hochzutreiben,  die kaum mehr als realistisch gelten können. Wer beispielsweise 100.000 Euro für einen Titel hinblättern soll, muss, die entsprechenden Marketingkosten noch eingerechnet, mindestens 100.000 Hardcover verkaufen oder 80.000 Hardcover und 40.000 Taschenbücher. Einige lassen sich auch auf Honorarzahlungen für Trilogien ein, die man erst in drei Jahren abbezahlen muss, wo manche denken: Na, bis dahin hat der Titel es ja vielleicht eingespielt.

„Bei den Geboten mit hohen Summen machen wir einfach nicht mehr mit, höchstens, wenn wir den Autor besser kennen“, schüttelt  Loewe-Lizenzchefin Jeanette Hammerschmidt den Kopf. Auch sie berichtet, dass der Trend zugenommen hat, nur Exposés und eine Leseprobe zu schicken. “Die Entscheidungsgrundlage wird so immer magerer“, bedauert Antje Keil, Programmleiterin des Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuchs. “Da müssen Proposal und Leseprobe schon außerordentlich überzeugen, bevor man mitbietet.“ Das Proposal kurz vor einer Messe wie Bologna zu schicken, scheint ein gern benutzter Trick, um Druck aufzubauen. „Dann wird gerne argumentiert: Dieser und jener Verlag hat den Titel schon eingekauft und man solle sich bitteschön ganz schnell entscheiden, bevor die Lizenz weg ist“, sagt Hammerschmidt. Ihrer Beobachtung nach würden die letzten Endes erzielten Summen aber zurückgefahren: „Wer realistisch ist, zahlt nicht mehr so viel.“

Gelöste Stimmung am neuen Gemeinschaftsstand

Der von der Frankfurter Buchmesse organisierte Gemeinschaftsstand als Treffpunkt der deutschen Verlage in Halle 30 sieht in diesem Jahr anders aus: „Nicht mehr die Präsentation der Bücher steht im Vordergrund, sondern die Kommunikation über die Bücher“, erklärt die Leiterin Internationale Projekte der Frankfurter Buchmesse, Bärbel Becker, das offene Standkonzept. Während noch im letzten Jahr die Verleger vor ihren Büchern saßen, haben jetzt das Laufpublikum und die suchenden ausländischen Verleger „mehr Raum, um ungestört in den Büchern zu stöbern.“ Auch eine Sitzecke lädt zu Gesprächen ein: In diesem Jahr tauschten sich hier malaysische und türkische Verleger mit deutschen Kollegen über aktuelle Buchprojekte aus.

„Eine wuselige Messe“, konstatiert Margit Müller, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj, die geduldig alle Anfragen zu beantworten versucht. Und was war die häufigste Anfrage? „Kann ich Ihnen meine Illustrationen zeigen?“, schießt sie sofort hervor, dabei bieten die meisten Verlage gut sichtbar eigene Termine zur Durchsicht der Mappen von Studierenden und Berufsanfängern an. Auch am deutschen Gemeinschaftsstand hat „Eselsohr“-Herausgeberin Christine Paxmann Mappen begutachtet. Imke Buhre, Leiterin des Gemeinschaftsstands, zieht am Ende der Messe eine positive Bilanz: „Die klareren Strukturen und die offenen Sichtachsen haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass die Stimmung unter den Verleger gut war. Auch wenn es eine Arbeitsmesse mit vielen Terminen ist, war die Atmosphäre doch recht gelöst.“ Bis bekannt wurde, dass am Frankfurter Flughafen gestreikt wird – die Aussicht, erst ein oder zwei Tage später nach Hause fahren zu können, sorgt denn doch für bestürzte Gesichter. Manche nehmen’s positiv: das beste draus machen und die Chance nutzen, nach der vielen Arbeit einfach mal die Stadt und die Museen genießen.

 

Impressionen von den anderen Gemeinschaftsständen bis zum Auftritt des Ehrengastlands Brasilien sehen Sie in der Bildergalerie