protoTYPE 2014

In der Düsentrieb-Lounge

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Schluss mit reden, Zeit zu handeln: Auf der Leipziger Buchmesse fiel der Startschuss zur diesjährigen Runde der Initiative protoTYPE. Sechs Monate lang werden Vor-, Quer- und Nachdenker der Buch- und Medienbranche ihre spannenden Projekte vorantreiben.

"Mehrzweckfläche 1" ist die schmucklose Bezeichnung eines Konferenzraums im Congress Center, der sich am Messe-Wochenende in eine Art Düsentrieb-Lounge verwandelt: Ein Think-Tank mit Stellwänden voller Projektskizzen, Kabeltrommeln, Notebooks und Tablets, dazwischen Pizzaecken und Wasserflaschen. protoTYPE, die gemeinsame Initiative des Forum Zukunft und des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) im Börsenverein geht in die dritte Runde.

Am Start sind alles andere als weltfremde Nerds: Die 20 Teilnehmer, die hier erstmals zusammenkommen, stehen mit beiden Füßen im Leben und bilden die Vielfalt der Branche recht gut ab. Das Spektrum reicht von Studierenden auf dem Sprung ins Berufsleben bis zu selbstständigen ITlern, Grafikern und jungen Mitarbeitern aus Verlagen. Ein halbes Jahr lang werden sie ihre Projekte vorantreiben - von der Ideengenerierung bis zur abschließenden Vorstellung des ausgereiften Konzepts.

"Das Ziel von protoTYPE ist es, Innovationen für die Buchbranche sichtbar zu machen", sagt Dorothee Werner, die beim Börsenverein unter anderem für die Unternehmensentwicklung verantwortlich ist und das Projekt mit Michael Schneider vom AKEP ins Leben gerufen hat. "Wir wollten ein Format, bei dem nicht nur geredet, sondern nachhaltig gearbeitet wird – und das kreativen Köpfen die Möglichkeit gibt, einen Innovationsprozess von der ersten Idee bis zur Konzeptentwicklung ganz bewusst zu durchlaufen." Begleitet und auf Herz und Nieren geprüft werden die Ideen der jungen Tüftler über die gesamte Laufzeit des Projektprozesses von erfahrenen Branchenexperten: 2014 sind dies Miriam Hofheinz (Bookwire), Volker Oppmann (LOG.OS), Okke Schlüter (HDM Stuttgart) und Harald Henzler (smart digits).

Im „Elevator-Pitch“ geht es zum ersten Mal ums Ganze: Daumen hoch oder Daumen runter, der Puls rast, die Reihenfolge wird schon mal nach der Schuh-Farbe der Teilnehmer bestimmt. In dreiminütigen Präsentationen müssen die zehn Projekte, an denen auf dem morgendlichen Ideen-Basar gestrickt wurde, möglichst griffig an die Rampe gebracht werden. Anschließend entscheidet das Plenum, welche Projekte in gemischten Teams über die kommenden sechs Monate weitergetrieben werden. 2014 sind es fünf:

 

  • Lesezirkus:  Wenn die Artisten in der Stadt sind, ist das mehr als die gute, alte Fahrbibliothek: Ein multimedial aufgerüsteter Tour-Bus soll Kindern in kulturschwachen Regionen die aufregende Welt des Lesens  – von Büchern bis zur Funktionsweise von Apps und E-Books – nahebringen.
  • Jahr 2017: Der Arbeitstitel einer Plattform, die Buchhandel und Verlage enger vernetzen soll – etwa über Webinare von Lektoren oder Marketing-Profis zu neuen Titeln oder ganzen Themenfeldern. Eine Art „digitaler Vertreterbesuch“, bei dem Buchhändler Insider-Informationen bekommen und mit Verlagsmitarbeitern chatten können.
  • Matchup: Anders als übergreifende Netzwerke wie Xing möchte sich das Online-Projekt als digitale Stellenbörse speziell für die Buch- und Medienbranche etablieren.
  • Mypanorama: Eine Toolbox nicht nur für Studierende, sondern alle, die in Aus- und Weiterbildungsprozessen stecken; unterschiedlichste Materialien – Textbücher, Tabellen, Artikel -  sollen auf einer Plattform aggregiert werden können.
  • bookalive: Ein Ansatz, das gedruckte Buch mit der digitalen Welt zu verknüpfen, es durch zusätzliche Medien (Augmented Reality, Video, Audio, Grafiken etc.) anzureichern – und somit Zielgruppen zurückzugewinnen, die für die Kulturtechnik Lesen vielleicht schon verloren waren.

 

Hoffen auf Etablierung von protoTYPE

Am Messe-Sonntag geht es in die Projektvertiefung. Hier wird für die fünf Teams ein „Meilenstein-Plan“ fällig, der definiert, was wann ansteht. „Es macht unheimlich Spaß, mit jungen Kreativen zu arbeiten“, freut sich Volker Oppmann. „Natürlich haben wir einen gewissen Erfahrungsvorsprung, aber auch als Experte lernt man durch solche Veranstaltungen dazu.“ Oppmann sieht seine Rolle als Sparrings-Partner – auch beim Knüpfen neuer Netzwerke. „Gerade in kommenden Projektphasen werden die Teams Expertise von außen brauchen. Da können wir, gemeinsam mit dem Börsenverein, einiges anschieben.“ Okke Schlüter, der gerade eine große Innovations-Studie zur Buchbranche durchgeführt hat, sieht deren Ergebnisse geradewegs in den protoTYPE-Prozess münden: „Die Branche sucht händeringend junge Leute mit frischen Ideen, die auch methodisch gut ausgebildet sind.“

Unisono hoffen die Experten, dass protoTYPE zu einer festen Branchen-Institution wird. Die Teilnahme ist kostenlos – anderswo werden für Weiterbildungs-Maßnahen ähnlicher Qualität gepfefferte Beträge aufgerufen. Dazu ist protoTYPE eine veritable Talent-Schmiede: Nicht wenige Teilnehmer der ersten beiden Jahre haben hier einen ordentlichen Karriere-Schub hingelegt. Getüftelt wird auch nicht im luftleeren Raum: Allein 2013 schafften zwei Projekte den Weg in die Realisierung – Agentme, eine Online-Plattform, die Autoren bei der Suche nach dem passenden Verlag unterstützt, hat nicht nur den letztjährigen Buch Digitale Innovation Pitch (BUDIP) des E:Publish-Kongresses gewonnen, sondern wird nun auch auf der London Book Fair vorgestellt.

Für die übernächste Projekt-Stufe (Business Case), die während der Buchtage Berlin gezündet wird, hofft Okke Schlüter denn auch auf ganz konkrete Patenschaften von Verlagen oder Medienunternehmen: Ein zartes protoTYPE-Pflänzchen, das zu einer ausgewachsenen Geschäftsidee reift – das wäre doch was!

protoTYPE 2014 – Der Fahrplan:

  • Initiierung & Ideengenerierung: Leipziger Buchmesse 2014
  • Marktzugang & Kundennutzung: Frankfurt, 11./12. April
  • Der Business Case: Buchtage Berlin, 4./5. Juni 2014-03-16
  • Vorbereitung Test: Juli, September; individueller Termin mit den Experten
  • Test & Validierung: Business Club im Rahmen der Frankfurter Buchmesse, 7.-10. Oktober
  • Konzeptvorstellung: E:Publish / protoTYPE Wettbewerb, Berlin, 6./7. November