Belletristik

Abenteuer der weiblichen Art

20. Juli 2015
von Sabine Schmidt
Romane, die vor allem Leserinnen begeistern, sind mit besonderen Zutaten gewürzt. Dazu gehören Spannung, Liebe und eine starke, gern auch historische Heldin. Frühjahrsnovitäten, speziell für Frauen.

Ein abgelegenes Herrenhaus bei London, dunkle Geheimnisse und Liebeswirren - das sind Zutaten für einen Romanstoff, mit dem sich Frauen gern eine Auszeit vom Alltag nehmen. Susanne Goga schickt ihre Leserinnen auf eine solche Reise ins späte 19. Jahrhundert, angeregt von der Faszinationskraft englischer Adelsfamilien und unter dem Titel »Der verbotene Fluss« (Diana, 464 Seiten, 9,99 Euro, ET: 13. Januar). Die Gouvernante Charlotte Pauly verlässt Berlin, um in England die achtjährige Emily zu unterrichten. Charlotte trifft auf ein braves kleines Mädchen, das vor Kurzem seine Mutter verloren hat, auf einen abweisenden Witwer und verschlossene Bediens-tete - und ahnt bald, dass der Schatten eines dunklen Geheimnisses über dieser Hausgemeinschaft liegt. Susanne Goga, die 2012 von der Vereinigung deutschsprachiger Liebesroman-Autoren und -Autorinnen mit dem DeLiA-Literaturpreis ausgezeichnet wurde und auch als Übersetzerin arbeitet, fesselt in ihrem neuen Roman mit einer atmosphärischen Geschichte und mit einer Protagonistin, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt, statt ihr Heil in der Ehe zu suchen.

 

Eine starke Heldin macht sich auch bei Charlotte Thomas auf den Weg - in »Das ferne Land« (Lübbe, 608 Seiten, 19,99 Euro, ET: 15. April). Die Autorin war Anwältin, als sie damit begann, unter ihrem bürgerlichen Namen Eva Völler erfolgreich Unterhaltungsliteratur zu veröffentlichen. Unter dem Pseudonym Charlotte Thomas schreibt sie his-torische Romane, die in Venedig spielen. Das neue Buch erzählt von einer Kölnerin, die erst in die Lagunenstadt zieht und von dort nach Kreta weiterreist. Hier wartet sie im Jahr 1645 vergeblich auf die Rückkehr ihres Mannes aus dem Orient und auf die Reichtümer, die er dort mit ihrer Mitgift erworben hat. Dann macht sie sich schließlich selbst auf den Weg, um ihn zu suchen - und erlebt als Frau Abenteuer, die damals eigentlich nur Männern vorbehalten waren.

 

Noch weiter zurück - ins Mittelalter - entführt die promovierte Historikerin Sabine Weigand ihre Leserinnen. Sie widmet sich in ihrem siebten historischen Roman »Das Buch der Königin« einer legendenumwobenen Schlüsselfigur des Stauferreiches: Konstanze von Sizilien, Mutter von Stauferkaiser Friedrich II., Ehefrau Heinrich VI. Sie wurde erst mit 30 Jahren verlobt, mit 40 Jahren Mutter - und es heißt, dass sie ihren Sohn öffentlich zur Welt brachte, um Gerüchten entgegenzuwirken, dass ihre Schwangerschaft nur vorgetäuscht war. Eine außergewöhnliche Frau, die in sehr unsicheren Zeiten das Erbe Sizilien für ihren Sohn zu sichern wusste (Krüger, 528 Seiten, 19,99 Euro, ET: 26. Juni).

 

Ein Südstaatenepos ist Leila Meachams Familiensaga »Land der Verheißung« (Page & Turner, 576 Seiten, 14,99 Euro, ET: 17. März). Der spannende Schmöker mit Anklängen an »Vom Winde verweht« berichtet von reichen Plantagen-besitzern, von weißen Männern, die im 19. Jahrhundert von South Carolina nach Texas aufbrechen und sich dort ein neues Leben aufbauen wollen, von Frauen, die nicht so angepasst sind, wie sie sein sollen, von der Sklaverei und dem Kampf dagegen im Vorfeld des Bürgerkriegs.

 

Die enge Bindung an ihren Zwillingsbruder bestimmt das Leben der Opernsängerin Micaela, nachdem sie 1914 nach Buenos Aires zurückgekehrt ist. Europa lag der Diva zu Füßen, doch jetzt will sie ihrem Bruder helfen: Sein Leben ist in Gefahr, weil er bei einem Gangster Spielschulden hat. In Florencia Bonellis Roman »Der Duft der Orchidee« singt »die Göttliche« nun Abend für Abend in der düs-teren Bar des Gangsters, erliegt seinem Charme - und der dunklen, gefährlichen Welt des Tangos (Fischer Taschenbuch, 512 Seiten, 9,99 Euro, ET: 27. März).

 

Einer Familiengeschichte will die Fotografin Elizabeth auf den Grund gehen, Heldin in Josephine Pennicotts Roman »Sturmtöchter« (List, 400 Seiten, 14,99 Euro, ET: 10. März). Ihr Großvater, ein australischer Maler, soll eine seiner Töchter getötet haben und wurde deshalb 1950 hingerichtet. Elizabeths Mutter mag über ihn und ihre Familie nicht sprechen. Die Enkelin aber reist in die magisch schöne Landschaft der Blue Mountains, dorthin, wo ihr Großvater gelebt hat und wo sie eine seiner früheren Musen zu treffen hofft, um mehr über ihn zu erfahren.

 

Ebenfalls voller Rätsel steckt Michel Bussis Roman »Das Mädchen mit den blauen Augen« (Rütten & Loening, 416 Seiten, 14,99 Euro, ET: 17. Februar). Dreh- und Angelpunkt des Pageturners ist ein Flugzeugabsturz im Dezember 1980, den nur ein drei Monate altes Baby überlebt hat. Da im Flugzeug noch ein zweites Kind im selben Alter war, streiten die Großeltern darüber, welches Mädchen unverletzt blieb. 18 Jahre später ist der Fall immer noch nicht geklärt. Ein Privatdetektiv scheint zwar endlich etwas herausgefunden zu haben, doch er wird ermordet, und die Überlebende macht sich nun selbst auf den Weg, um das Geheimnis ihrer Identität zu klären.

 

Auf »Frauenromane« abonniert ist Hera Lind. Seitdem die Sängerin Ende der 80er Jahre mit »Ein Mann für jede Tonart« einen Bestseller landete, widmet sie sich unverdrossen diesem Genre. In »Verwandt in alle Ewigkeit« erzählt sie von einer Frau, die von ihrem Mann sitzen gelassen wird und über Briefe ihrer inzwischen dementen Mutter zu sich und ins Leben zurückfindet (Diana, 384 Seiten, 19,99 Euro, ET: 29. April). Amelie Fried geht das Thema Frauenleben etwas leichter an: Im Mittelpunkt ihres neuen Romans steht eine »Traumfrau mit Lackschäden« - eine 50-Jährige, die sich fragt, ob es für sie trotz Faltenbildung noch ein Leben geben kann (Diana, 384 Seiten, 16,99 Euro, ET: 9. Juni).

 

Einen ganz anderen Ansatz hat Susanna Tamaro für ihren autobiografischen Roman »Ein jeder Engel ist schrecklich« gewählt (Piper, 224 Seiten, 18,99 Euro, ET: 12. Mai): Die italienische Bestsellerautorin plaudert nicht wie Amelie Fried über Beziehungen, Sex und Dessous, sondern erzählt in einem stillen, ernsten Tonfall von ihrer lieblosen Kindheit und reflektiert so auf ganz eigene Weise ein Frauenleben.