Schweden-Krimis

Eine rettende Insel ist nicht in Sicht

20. Juli 2015
von Andreas Trojan
Die grüne Idylle wird zur Hölle auf Erden: Schwedens nachrückende Autorengeneration verortet das Böse nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Feriengebieten. Kühle Krimis aus dem hohen Norden:
Johan Theorin und sein »Inselgrab«
Die schwedische Insel Öland ist im Sommer ein beliebtes Ferienziel. Im letzten Band von Johan Theo­rins Öland-Quartett feiern die Menschen hier gerade Mittsommer. Doch einer von ihnen ist kein Tourist, sondern ein Einheimischer, der Rache üben will. Theo­rins Held Gerlof Davidsson wird Zeuge zweier Verbrechen (»Inselgrab«, Piper, 456 S., 19,99 Euro, ET: Mai). Und er ahnt, dass Öland schreckliche Dinge bevorstehen. Mit Sinn für Charaktere, Stimmungen und Naturbeschreibungen erzählt der Autor über ein Schweden, das seine Utopie einer sozialen Gesellschaft verloren hat.
Mikael Niemi und die tödlichen Wassermassen
Bislang stand der Name Mikael Niemi vor allem für skurrile und zugleich kriminelle Geschichten aus dem Norden. Doch in »Die Flutwelle« (btb, 320 S., 19,99 Euro, ET: April) geht es um eine höchst reale Bedrohung. Im nördlichen Schweden regnet es den ganzen Herbst lang. Und so zeigen sich im obersten Staudamm des Flusses Lule älv Risse. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, Wassermassen bedecken das Land. Ein lebensmüder Hubschrauberpilot, ein skrupelloser Kraftwerkarbeiter und zwei engagierte Frauen kämpfen hier ums Überleben und darum, kriminelle Aktionen zu unterbinden.
Olle Lönnaeus und der tödliche Winter
Die Menschen in Olle Lönnaeus’ Krimi »Gottes Zorn« (Rowohlt, 446 S., 9,99 Euro) scheinen einsame Wandler durch den eiskalten Winter zu sein. Seit Jahren hat Joel Lindgren keinen Kontakt zu seinem Vater. Plötzlich kommt ein Anruf. Und Lindgren findet den toten Vater mit einem Strick um den Hals in seinem Haus, dazu Hassbotschaften radikaler Islamisten im Atelier. Joels Vater soll in manchen Bildern den Propheten Mohammed verunglimpft haben. Gemeinsam mit Kommissarin Fatima versucht Joel den Fall aufzuklären. »Gottes Zorn« ist ein spannender Krimi und zeichnet zugleich ein Sittenbild des heutigen Schwedens: Man gibt sich aufgeschlossen gegenüber Fremden und Immigranten, doch hinter der Fassade brodelt ein gefährlicher Mix aus Ressentiments und Ablehnung.
Camilla Läckberg und eine Insel, auf der es kein Vergessen gibt
Viele Figuren treten auf, doch ein »Personenverzeichnis« am Anfang des Romans »Die Engelmacherin« (List, 455 S., 19,99 Euro) erleichtert die Orientierung. Worum geht es? Ebba ist zweifach traumatisiert: 1974 verschwand ihre Familie spurlos, der Fall wurde nie aufgeklärt. Und nach dem Tod ihres kleinen Sohns versucht sie mit ihrem Mann einen Neubeginn: Sie kehrt auf ihre Heimat­insel Valö zurück. Doch bald wird ein Mordanschlag auf Ebba verübt. Kommissar Patrick Hellström nimmt die Ermittlungen auf, seine Frau, die Schriftstellerin Erica ­Falck, steht ihm zur Seite. Die komplexe Geschichte führt in die NS-Zeit zurück, hat jedoch auch Bezüge zum Rechtsextremismus im heutigen Schweden. Sehr klug verwebt Camilla Läckberg die verschiedenen Handlungsstränge.
Viveca Sten und die Insel als tödliche Falle
Die schwedische Autorin Viveca Sten kennt den berühmten Urlaubsort Sandhamn auf der Insel Sandön seit ihrer Kindheit. Ihr Roman »Beim ersten Schärenlicht« (KiWi, 352 S., 8,99 Euro, ET: April) spielt genau hier. Es ist Mittsommernacht und die Schweden feiern ausgelassen den längs­ten Tag des Jahres. Am Morgen danach wird ein junger Mann tot am Strand aufgefunden: ermordet. Kommissar Thomas Andreasson nimmt Ermittlungen auf – diesmal im wohlhabenden Milieu Stockholms. Viveca Stens Krimi ist spannend bis zur letzten Seite und bietet zudem interessante Einblicke in die schwedische Gesellschaft.