Neu im Regal - Lesetipp der Woche

Die Rückkehr des Bösen

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Zum 50.: Anthony Burgess „Clockwork Orange“ liegt in neuer Übersetzung vor. Literaturfreunde werden am beigefügten Quellenmaterial ihre Freude haben.

Vor einem halben Jahrhundert ist Anthony Burgess Roman „Clockwork Orange" erschienen. Geschrieben hat Burgess das Buch im Akkord, er stellte binnen desselben Jahres vier weitere Bücher fertig. Bis heute begründet der moralische Roman über den gewalttätigen Alex den Ruhm seines Autors. Klett-Cotta legt zum Jubiläum eine Neuübersetzung von Ulrich Blumenbach vor – garniert mit Nachworten und Texten von Anthony Burgess, des Herausgebers Andrew Biswell und erhellenden Typoskript-Auszügen.

Gewalt auf Straße, Schläge im Strafvollzug, schleimige Minister, menschenverachtende Integrationsmaßnahmen, prügelnde Polizisten, Alkoholismus, allgemeine Perspektivlosigkeit – die Themen von „Clockwork Orange" sind heiße Eisen. So faszinierend und abstoßend die Gewaltakte von Alex und seinen „Droogs" im Roman auch sind (eingeschlossen der „Vergewohltätigungen", wie Blumenbach überraschend verspielt übersetzt) – eigentlich ist der Roman ein Plädoyer für die Freiheit des Willens und der Möglichkeit eines moralischen Fortschritts. Auch wenn der Mensch sich wie Alex bewusst für das Böse entscheidet, ist diese Freiheit schützenswert. Burgess demonstriert es so: Die Welt verbessert sich nicht durch die Konditionierung des jugendlichen Bandenführers und Mörders Alex zur Gewaltlosigkeit. Außer das er es fortan ist, der Schläge kassiert und zum Opfer wird und ihm auch bei seinem geliebten Beethoven übel wird. Burgess war auch Komponist- dass er seinen diabolischen Hauptcharakter mit ästhetischem Feingefühl, Sprachwitz und der Liebe zur Musik ausstattet, hebt den Roman auf eine andere Ebene.

Die moralische Kehrtwende des Antihelden Alex im symbolischen 21. Kapitel, darauf weist Burgess im Nachwort noch einmal ausdrücklich hin, fiel dem Geschmack der amerikanischen Verleger zum Opfer. Wo im britischen Original und der deutschen Ausgabe in Alex der Wunsch nach Frau und Kind erwacht und der Lust an den bisherigen Gewalttaten einen empfindlichen Dämpfer verpasst, fehlte das Kapitel in den US-Ausgaben zunächst. „Zu britisch", sagten die US-Verleger dem abgebrannten, gerade aus der Army entlassenen Soldaten.

Filmfreunde dürften die Ausführungen Burgess' zu Stanley Kubricks kongenialen Verfilmung sicher brennend interessieren.

Im Anhang nicht fehlen darf natürlich auch das neukomponierte Nadsat-Wörterbuch. Auch wenn Iris Radisch (die sich das Buch erstmals mit dieser Ausgabe vorgenommen hat) Recht hat, wenn sie behauptet, dass Burgess seinen fiktive Jugendsprache so in den Text einbettet, dass ein Wörterbuch eigentlich nicht nötig ist, macht das Stöbern dennoch Spaß. „Clockwork Orange" – die neue, mit Herzblut übersetzte Ausgabe des Klett-Cotta Verlags ist ein perfektes Stück Literatur für dunkle Winterabende.