Interview mit Sven Fund zur Open-Access-Kontroverse

"Bestandswahrend oder kundenorientiert – das ist die entscheidende Frage"

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Die "Meinung" des Verleger-Ausschusses (VA) zu Open Access scheidet die Geister. Wegen mangelnder Abstimmung mit dem Vorsteher und den verantwortlichen Gremien forderte der Hamburger Verleger Manfred Meiner den Vorsitzenden des VA, Matthias Ulmer, sogar zum Rücktritt auf. Boersenblatt.net hat mit Sven Fund, Geschäftsführer von De Gruyter über die Intentionen des Papiers gesprochen.
Das "Meinungs"-Papier des Verleger-Ausschusses zu Open Access schlägt hohe Wellen. In seinem Brief an den VA-Vorsitzenden Matthias Ulmer verbindet Manfred Meiner den Vorwurf der mangelnden Abstimmung im Verband mit der Forderung nach Ulmers Rücktritt. Verbirgt sich hinter der prozeduralen Kritik nicht ein Dissens in der Sache?
Ich kenne die Abstimmungsprozesse nicht im Detail. Die vom Verleger-Ausschuss unterzeichnete "Meinung" geht auf einen ursprünglich vorgesehenen Vortrag zurück und fand dann als Positionspapier des Verbands Verwendung. Alle maßgeblichen Gremien waren nach meinen Informationen in diesen Vorgang eingebunden. Dass nun, Jahre nachdem im Verband über das Thema Open Access diskutiert wurde, Formfragen skandalisiert werden, erscheint mir vorgeschoben.

Tritt hinter der formalen Kritik nicht ein Gegensatz zwischen naturwissenschaftlich-technischen Verlagen einerseits und geisteswissenschaftlichen Verlagen andererseits zu Tage?
Ich sehe da gar keinen Gegensatz, und erinnere nebenbei daran, dass De Gruyter ein Verlag mit einem großen geisteswissenschaftlichen Programm ist. In der Sache gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen, und die sollen auch gar nicht unterdrückt werden. Es geht nicht um Gleichschaltung! Für mich ist die entscheidende Frage, welche Grundhaltung Verleger einnehmen: bestandswahrend oder kundenorientiert. Denn es ist die Nachfrage der Kunden – also beispielsweise der Bibliotheken –, die Open-Access-Publikationen wünschen.

Ist Open Access denn eine Frage der Größe?
Nein, auch kleinere Verlage entscheiden sich für diesen Weg, weil sie sehen, wie sich die Marktbedingungen verändern. Auch sie fragen sich, wie man am besten mit der Wissenschaftler-Community und den Wissenschaftsorganisationen zusammenarbeitet.

Weshalb ist Open Access – vor allem der finanzierte "goldene" Weg der offenen Erstpublikation – denn so zweckmäßig?
Das Publizieren ist ja teil des Wissenschaftsprozesses selbst. Es geht ja nicht ums Lesen. Allein die Max-Planck-Institute veröffentlichen pro Jahr mehr als 5.000 Zeitschriftenartikel. Die Publikationen spielen nicht nur in der Forscherbiographie, sondern auch bei der Evaluation der Einrichtungen eine prominente Rolle. Und wenn sich die Produktion und Verbreitung von Wissen verändern, müssen sich auch Verlage mit ihren Geschäftsmodellen dieser Veränderung stellen.

Welche Grundgedanken lagen denn der "Meinung" zu Open Access zugrunde?
Ich will das einmal thesenartig zuspitzen:
– Open Access ist weltweit eine Realität der Wissenschaftskommunikation, je nach Disziplin wichtiger oder weniger wichtig.
– Die Existenz von Open Access ist nicht Gegenstand verlegerischer Entscheidung, die Umsetzung im Programm eines spezifischen Verlages ist es schon. Es obliegt der unternehmerischen Freiheit eines jeden Verlages, Open Access anzubieten oder in gewohnten Formen zu publizieren.
– Von ihrem Verband können die Verleger Offenheit für Kundenbedürfnisse und die Innovationsfähigkeit ihrer Branche erwarten. Genau das hat der Verlegerausschuss in seiner "Opinion" zum Ausdruck gebracht.

Wie sollte der Verband in der Sache weiter verfahren?
Es sollte zunächst geklärt werden, wie ein solches Thema innerhalb des Verbands abgestimmt wird. Die formale Richtigstellung steht aber meiner Meinung nach nicht im Vordergrund: Es muss um die Sache gehen. Und ich erlebe, dass die große Mehrheit dem Thema Open Access gegenüber aufgeschlossen ist. Innerverbandliche Demokratie heißt eben auch, andere Meinungen zu tolerieren und ohne Rücktrittsforderungen sachlich den Blick fürs Wesentliche zu wahren.