Angetrieben werden die Unterstützer des Projektes (Hacker gehört zum Beirat) von der Sorge, dass eine bestimmte "Art des Schreibens und Nachdenkens marginalisiert wird". Umsonst-Angebote im Netz müssten nicht zwangsläufig einem Ausverkauf gleichkommen, sondern könnten ebenso gut als Chance begriffen werden, "eine Leserschaft wieder zu gewinnen, vielleicht überhaupt zu gewinnen", verteidigte die Berliner Autorin das Open-Access-Experiment. Für sie ist offensichtlich: Alte Strukturen und Hierarchien haben sich aufgelöst. An ihre Stelle könnten und sollten neue Formen der Geselligkeit treten: "Wenn nicht einige Wenige sanktionieren, was wir lesen und schreiben, muss sich auf andere Weise herausschälen, worüber Leute sprechen wollen – weil sie ein Interesse an Sprachen, Gedanken, vor allem aneinander haben, weil sie sonst genötigt werden, sich von einer Welt abzuwenden, die unbeherrschbar und beängstigend wirkt."
Eine größere Offenheit gegenüber komplexer Realität und den Chancen des Internets forderte auch die Beraterin Manuela Schauerhammer. Die Angebote von Kinderbuchverlagen seien häufig nicht auf der Höhe der Zeit und der technischen Möglichkeiten. Man orientiere sich zu stark an Althergebrachtem. Schauerhammer wünscht sich von den Verlagen eine deutlichere Orientierung an den Wünschen der Kunden (etwa mehrsprachige digitale Buchausgaben als Standard). Ihr Appell an die Kinderbuchverlage: "Das Internet ist international. Kooperieren Sie digital!"
Auf der Suche nach internationalen Partnern ist derweil Tolino. "Wir wollen unsere Allianz europäisch ausweiten", sagte Stephan Wolfram von der Deutschen Telekom, die gemeinsam mit Thalia, Hugendubel und Weltbild den bislang rein deutschen Kooperationsverbund rund um den E-Book-Reader Tolino bildet, der Amazon Konkurrenz machen soll. Dass eine Ausweitung der Allianz auf den unabhängigen Buchhandel innerhalb Deutschlands gerade gescheitert ist, erwähnte Wolfram nicht. Womöglich wird das von den Tolino-Strategen hinsichtlich einer größeren europäischen Hoffnung als nachrangig beurteilt. Tolino wolle sich auf Marketing- und Vertriebsfragen konzentrieren, nicht hingegen auf eine Technologiediskussion, sagte Wolfram, der sich dann aber doch mehr als Mann für Technikfragen erwies. Misslich zudem, dass der Manager keine Zahlen nennen durfte, um den tatsächlichen Abstand des Tolino-Readers zu Amazons Kindle zu ermessen.
Die E-Book-Welt wächst. Und der E:Publish-Kongress mit ihr. Über mehr Teilnehmer als in den Vorjahren freute sich jedenfalls der Miterfinder der Tagung und Geschäftsführer des Börsenvereins-Landesverbands Berlin-Brandenburg Detlef Bluhm. Mit dem Wachstum heißt es jedoch auch für die Organisatoren umzugehen lernen. Das große Interesse führte einstweilen jedenfalls dazu, dass man mit dem interaktiven Kongressformat der Table-Sessions an Grenzen stieß, wie Moderator Holger Volland von der Frankfurter Buchmesse bemerkte.
Holger Heimann
Ein Interview mit Mathias Gatza über sein Projekt Fiktion lesen Sie morgen früh auf boersenblatt.net.