Neu im Regal: Buchtipp der Woche

Eine Seh- und Humorschule der Typografie

27. Februar 2015
von Sabine Cronau
Typografisches Wissen ist bleischwer? Von wegen. Alessio Leonardi tritt in seiner Graphic Novel "Mr. Typo und der Schatz der Gestaltung" den locker-flockigen Gegenbeweis an. Ein Buch, in dem sich jeder festliest, der mit Büchern und Schriften zu tun hat.

Vor "Mr. Typo" sei gewarnt. Schon auf der Rückseite findet sich ein entsprechender Hinweis für Allergiker: "Dieses Buch kann Spuren von Text und Bild enthalten". Vor allem aber enthält die "Typographic Novel" aus dem Verlag Hermann Schmidt Mainz jede Menge Witz - und zugleich jede Menge ernsthaftes Wissen. Beides zusammen verschmilzt mit den Bildern und Figuren zu einer Art Wimmelbuch der Schriftgestaltung.

Autor Alessio Leonardi, gebürtiger Italiener, ist Professor für visuelle Kommunikation in Hildesheim - und hat, wie er auf den letzten Seiten des Buches bekennt, "eine Frau, die ihn trotz der Witze liebt", die er so macht - und drei Töchter, die fast immer über seine Gags lachen. Sein Typografiekurs in Comicform dürfte ihm jetzt auch eine außerfamiliäre Fangemeinde bescheren.

Drei Figuren, allesamt schlichte, schwarze Strichwesen mit vereinzelten Farbtupfern, führen den Leser kapitelweise und in mehr als 400 farbigen Zeichnungen durch das Abenteuer Schrift - Mr. Typo, ein französischer Setzer, Typograf, Verleger und Weinbauer, Tilde alias Monsieur Chien als Personifikation der Weisheit und schließlich die pragmatische Maus, die jede Diskussion erdet.

Farbe, Raum, Form, typografische Grundbegriffe, Gestaltungsraster und ein kleiner Ausflug in die Schriftgeschichte von der Höhlenmalerei bis zum digitalen Hinting: Der Comic lässt nichts aus und bereitet alle Themen so detailreich und verspielt auf, dass sich das Typo-Knowhow dahinter fast beiläufig in die Gehirnwindungen des Lesers schraubt. Letztlich, so Mr. Typos These, ist Typografie wie Kochen, "man muss wissen, wie blanchieren, backen, braten, dünsten oder frittieren funktioniert". In der Graphic Novel werden Zutaten und Küchentechnik aufs Schönste illustriert.

Überhaupt - die Vergleiche! Unter der Kapitel-Überschrift "Guten Satz" zieht Mr. Typo freundlich den Hut. Und spielt mit Tilde Tischtennis - als Lehrstück in Sachen Spaltenbreite. Denn: "Sind die Zeilen zu kurz, wackelt man beim Lesen ständig mit demn Kopf hin und her - wie ein Zuschauer beim Tischtennis". Und warum brauchen Schriften überhaupt eine Klassifikation? Für die Antwort macht Mr. Typo eine blaue Schublade auf, nimmt vorsichtig einen Buchstaben zwischen die Finger und erklärt, dass Schriften deshalb sortiert werden, damit es leichter fällt, die richtige Schublade zu finden, wenn man eine ganz bestimmte Schrift für einen ganz bestimmten Zweck sucht: "Es ist in etwa wie bei der Musik: Man geht in die Abteilung Rock/Alternative (an der Klasik vorbei), schaut nach amerikanischen Bands, geht bis zu R weiter und blättert, bis man R.E.M. gefunden hat". Noch Fragen?

Auch vor der schönen, neuen, digitalen Welt macht Mr. Typo nicht halt. Es geht um responsive design, um Webfonts und gestalterische Qualität auf dem Bildschirm. Und darum, dass Designer, die heute Schrift gestalten, letztlich freier arbeiten können, weil die technischen und ökonomischen Zwänge kleiner geworden sind. Mr. Typo liefert noch ein anderes, absolut unschlagbares Argument: "Sie müssen keine Tonne Blei mehr schleppen, wenn sie im Café arbeiten möchten". Einfach Laptop aufgeklappt - und fertig.

Auch die "Typographic Novel" ist perfekte Café-Lektüre. Handlich, unterhaltsam und trotzdem wunderbar sättigend, was den Wissenshunger angeht.

Alessio Leonardi:
Mr. Typo und der Schatz der Gestaltung
Verlag Hermann Schmidt Mainz
96 S., 19,90 Euro