Neu im Regal

Nur einen Blieck, Herr Schriiiieftsteller!

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Der Inhalt eines Buches ist doch nur B-Ware. Mal ehrlich: Was wirklich zählt, ist der fantastische Lebenslauf des Autors! Joachim Zelter ruft das Zeitalter des Curricularismus aus. Seine Satire über den Literaturbetrieb hat es in sich.

"Selim Hacopian hat ein Buch geschrieben. Er würde Ihnen gerne was schiecken." Eine kurze E-Mail voller Rechtschreibfehler ist das Sprungbrett in den Abgrund der Autorenseele. Joachim Zelter läst in seiner Novelle Schriftstelleralbträume wahr werden: Da heftet sich ein kleiner, hündisch ergebener Mann an die Fersen des gottgleich verehrten Herrn "Schrieftstellers". Mit einer E-Mail und einem absonderlich anmutenden Lebenslauf geht es los. Doch bald wird Selim Hacopian zum Stalker und Schatten des ich-erzählenden Autors. Der hätte eigentlich Besserers zu tun, als auf die endlosen Seiten, die der Verehrer aus dem schon bald gefürchteten kleinen Rucksack in Cafés, in der Bibiothek oder in den eigenen vier Wänden zu Tage fördert, "einen kurzen Blieck zu werfen" - das bedeutet natürlich: zu redigieren. 

Der unfähige aber liebenswerte Selim Hacopian will - unbeschwert von einem Funken Talent und nur mit Grundkenntnissen der deutschen Sprache ausgestattet - selbst Schriftsteller werden. Sein einziges wirkliches Werk ist aber ein stets erweiterter, kunstvoller Lebenslauf: Geboren is Usbequsitan, Übersiedlung der Familie nach Pakistan, ausgewandert nach Ägypten, erste und zweite Chinareise, Napoleondarsteller, Kamelführer ...

Doch bald reißen sich sich in der Kippfigur die renommierten Verlage um den dilettierenden Orientalen mit dem Lebenslauf, der sich wie ein Abenteuerroman liest. Währenddessen rauscht die Karriere des "Herrn Schriefstellers" munter den Bach herunter, zumal der all seine Kraft nur noch in sein "erweitertes Pseudoynm" fließen lässt.

Jede Spitze sitzt in Zelters Novelle, durch die Oscar Wilde, Pygmalion und Kunderas "Der Scherz" blitzen. Wie der Erzähler zu einem Dr. Frankenstein der Literatur und anschließend wegen des ungerechtfertigen Erfolgs seines stets paternalistisch getadelten Schützlings vom Neid zerfressen wird, das ist wirklich saukomisch - und bietet anderthalb Stunden beste Unterhaltung.

Joachim Zelter war vor vier Jahren mit "Der Ministerpräsident" für den Deutschen Literaturpreis nominiert. Seine Literaurnovelle erhielt Beifall von "ZEIT online".

Joachim Zelter: Einen Blick werfen. Klöpfer & Meyer, 112 S., 14,90 Euro