"Am Arsch die Räuber"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Die heimischen Bücherregale mit Literatur zu füllen, ist gar kein Problem. Die Bücher wieder loszuwerden, erweist sich hingegen als äußerst schwierig. Meint Markus Barth, der sich nicht nur deswegen beim Bücherschrank in seiner Nachbarschaft bedankt.

Bücher kaufen war noch nie so einfach wie heute. Bücher loswerden dagegen finde ich eine echte Herausforderung. Aber ab und zu muss man Platz schaffen im Regal und da dachte ich: "Verleih sie doch einfach, verliehene Bücher bekommt man eh nie zurück." Ja, denkste.

Leider habe ich einen geradezu absurd gewissenhaften Freundeskreis. Vielleicht haben meine Freunde aber auch einfach selbst keinen Platz mehr im Regal, jedenfalls kam jedes einzelne Exemplar früher oder später wieder zu mir zurück.

Also habe ich etwas anderes ausprobiert: "Bookcrossing". Da macht man einen Aufkleber auf das Buch und lässt es anschließend irgendwo liegen − in meinem Fall war das der ICE von Köln nach Frankfurt. Es war die Hölle. Ich kann es nicht erklären, es ist schließlich kein Delikt, einen Roman liegen zu lassen, trotzdem kam ich mir vor, wie ein Terrorist, der einen Rucksack abstellt.

Als mir dann auch noch meine Sitznachbarin auf den Bahnsteig hinterherlief und brüllte: "Halt! Ihr Buch!!!", bin ich nur noch gerannt. Ein Buch zu klauen wäre mir wahrscheinlich leichter gefallen.

Deswegen bin ich sehr froh, dass es in meiner Nachbarschaft jetzt einen Bücherschrank gibt. Ein kleiner Glaskasten auf einem städtischen Platz, in den jeder etwas einstellen und herausnehmen kann. Ich liebe diesen Kasten. Zum einen, weil ich dort Bücher loswerden kann, ohne Angst zu haben, dass der Verfassungsschutz mich beobachtet.

Zum anderen finde ich die von anderen Leuten eingestellten Bücher extrem interessant. Na ja, weniger die Bücher. (Mir war gar nicht bewusst, wie viele Romane Johannes Mario Simmel doch geschrieben hat! Und wussten Sie, dass Justin Bieber schon mit 16 Jahren eine 240-Seiten-Biografie veröffentlicht hat? 240 Seiten! Mit 16 hat mein Leben auf eine Poesie-Alben-Doppelseite gepasst!) Interessant finde ich eher, was man darin findet. Denn eines habe ich gelernt: Menschen benutzen alles − wirklich alles! − als Lesezeichen.

Parktickets, Eintrittskarten, Taschentücher, Postkarten vom Gardasee ("Pizza kostet 15 Euro! Trotzdem schön. Kuss, Hilde!") − alles! Spannend wird's bei Einkaufszetteln ("Melonen, Parmaschinken, Fugen-Kitt" − bei dem Kochabend wäre ich gern dabei gewesen!). Und richtig knifflig fand ich einen Zettel, auf dem in sehr krakeliger Schrift nur vier, na ja, Wörter und ein Ausrufezeichen standen: "Bitte Ve Se Änt!"

Lang habe ich überlegt, mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher: Da wollte wohl eine Reinigungskraft darauf hinweisen, dass die Herrschaften doch gefälligst mal "WC Ente" nachkaufen sollten.

Das schönste Fundstück habe ich sogar aufgehoben. Es war ein Elternbürgschafts-Formular. Das hatte offensichtlich ein Vermieter angefordert, die übliche finanzielle Absicherung mit "Hiermit bürge ich für die monatliche Mietzahlung in Höhe von blabla für meine Tochter XY." Das alles konnte man aber kaum noch lesen, denn der offensichtlich genervte und, so würde ich mal tippen, mit der Studien- und Wohnungswahl der Tochter sowie den damit entstandenen Kosten nicht ganz einverstandene Vater hatte den gesamten Text mit einem Edding durchgestrichen und dick daneben geschrieben: "Am Arsch die Räuber!"

Und als wäre das nicht schon lustig genug: Der Zettel steckte in einer Ausgabe von Dale Carnegies "Wie man Freunde gewinnt".

Danke, Bücherschrank!