Sondieren und experimentieren

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Die Buchbranche ist generell offen für den digitalen Wandel und hybrides Publizieren. Marktkundige Forscher können ihnen dabei helfen. Ziel ist es, Wissen langfristig zurück in den Markt und die Verlagspraxis zu tragen, damit unabhängige Verlage auch weiterhin unabhängig bleiben können. Meint Mercedes Bunz.

Wie wird die Verlagslandschaft in Zukunft aussehen? Publizieren verändert sich im digitalen Zeitalter und stellt Verlage vor neue Chancen, zum Beispiel was ihre Publikationsformate und die Reichweite ihrer Produkte betrifft. Dieses hybride Publizieren bringt aber auch eine technische Herausforderung mit sich, die angenommen werden will - und oft nicht angenommen werden kann. Das Hybrid Publishing Lab der Leuphana Universität versucht, diese Veränderungen zu fassen und am Beispiel des akademischen Publizierens in den Geisteswissenschaften Hilfsmittel zu sondieren; doch im Prinzip betreffen die Veränderungen, die dort erforscht werden, die gesamte Branche.

Verknappt dargestellt, bietet sich folgendes Bild: Druck und Vertrieb sind technische Elemente, die schon immer zum Verlagsgeschäft gehörten. Im digitalen Umfeld verändern sie sich radikal - weit über E-Books hinaus. Große Verlage investieren bereits in Software, welche beim Verarbeiten und Verbreiten der Manuskripte hilft. Sie entwickeln und erproben neue Plattformen, Publikationsformate und Vertriebsweisen. Sie sind für den digitalen Wandel gewappnet. Kleine und mittlere Verlage haben es jedoch ungleich schwerer, mit der aufregenden Veränderung Schritt zu halten.

Verlage, die bislang auf das Herstellen von gedruckten Büchern spezialisiert waren, sehen sich vor einer neuen, unübersichtlichen technischen Landschaft, die sich zudem ständig verändert. Worin investieren? In welche Richtung wird es gehen? Textkonvertierung in die vielen verschiedenen digitalen Formate, der Mangel neuer technischer Standards und die neuen Marketingmechanismen sind nicht einfach zu bewältigen. Große Verlage haben hier externe und interne Berater, und stellen sich dem digitalen Wandel frontal: Sie arbeiten mit Software, die entweder speziell für sie hergestellt oder auf sie zugeschnitten worden ist. Das kostet. Zu den Anschaffungskosten von Mediendatenbanken und Redaktionssystemen kommen laufende Entwicklungskosten dazu, so ist man schnell bei 100 000 Euro und mehr pro Jahr.
Kleinere Verlage können diese Investitionen nicht leisten. Doch auch wenn sich Verlegen verändert und von der Herstellung eines Produkts mehr und mehr zu einem Service wird, ist das verlegerische Produzieren eines Textes in Bezug auf Inhalt und Technik wichtig. Es verhilft akademischen Texten zu mehr Qualität, fördert ihre Sichtbarkeit und darf nicht fehlen.

Um hier zu helfen, erforscht das Hybrid Publishing Lab der Leuphana Universität mit Partnern der Branche den digitalen Wandel, sondiert und experimentiert mit Software und studiert neue Geschäftsmodelle. Ziel ist es, dieses Wissen langfristig zurück in den Markt und die Verlagspraxis zu tragen, damit unabhängige Verlage auch weiterhin unabhängig bleiben können.
In anderen Branchen haben wir bereits gesehen, dass die digitale Veränderung nicht mit allen Beteiligten freundlich umgeht. Die Buchbranche ist generell offen für den digitalen Wandel und hybrides Publizieren. Dennoch: Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ist dies eine Herausforderung, die gestaltet werden muss und die wir am Hybrid Pub-lishing Lab neugierig mit wachem Kopf und tippenden Fingern begleiten.

Mercedes Bunz, Leiterin des Hybrid Publishing Lab an der Leuphana Universität Lüneburg, tritt als Sprecherin bei der Konferenz Contec der Frankfurter Buchmesse am 8. Oktober auf.

Das Programm der Contec finden Sie hier.