Neue Erzählungen

Schicksalhafte Begegnungen an fernen Orten

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Wer Romane mitunter geschwätzig findet, kann bei deren teils wortkargeren Schwestern sein Leseglück finden: Auch 2013 überzeugen neue Erzählbände. Hier kommen 23 Buchtipps.

Machado de Assis, Lima Barreto und Aluísio de Azevedo: Der blaue Affe und andere brasilianische Erzählungen. Sonderzahl, Oktober, 128 S.,16 Euro

Zwölf Erzählungen der großen brasilianischen Autoren des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in der man viel über die unterschiedlichen sozialen Schichten der Ersten Brasilianischen Republik (1889–1930) und deren Alltag erfährt, über um ihren Status besorgte Großbürger bis zu Gaunern und Chaoten.

Christoph W. Bauer: In einer Bar unter dem Meer. Haymon, August, 232 S., 19,90 Euro

Bauers leicht verschroben wirkende Figuren trauern verpassten Chancen nach, verrennen sich in Träume, sind unglücklich in ihren Berufen, sprechen von Treue und wandern von einem Bett ins andere: Temporeiche und sehr direkte Geschichten.

Tania Blixen: Babettes Fest und andere Erzählungen. btb, August, 272 S., 9,99 Euro

Der Band enthält fünf „Schicksalsanekdoten“ der dänischen Autorin, allen voran die Geschichte der Meisterköchin Babette, die mit ihrem Lotteriegewinn im Dorf ein Festmahl ausrichtet, das die Gäste für einige Zeit dem Alltag entrückt.

Iwan Bunin: Gespräch in der Nacht: Erzählungen 1911. Dörlemann, 300 S., 24,90 Euro

Das Dorfleben war Bunin bestens bekannt: In diesen 1911 entstandenen Erzählungen verdichtet er Momentaufnahmen des russischen Dorfes am Vorabend des Ersten Weltkrieges und der Revolution.

Joseph Conrad: Jugend - Der geheime Teilhaber. Zwei Erzählungen. C.H. Beck, September, 144 S., 14,95 Euro

In zwei aufregenden Erzählungen geraten die Protagonisten durch unglaubliche Ereignisse in höchste Gefahr und beginnen eine Reise in die Abgründe und Stärken jugendlicher Gefühlswelten.

Leonid Dobycin: Die Erzählungen. Friedenauer Presse, Oktober, 252 S., 22,50 Euro

Verdichtete Prosaliteratur an der Grenze zum epischen und lyrischen Gedicht: Erzählungen aus der russischen Provinz nach der Revolution, festgehalten im radikal reduzierten Erzählstil des russischen Autors.

Lisa Elsässer: Feuer ist eine seltsame Sache. Erzählungen. Rotpunktverlag, 176 S., 25 Euro

An jedem Ort lauern Gespenster, die Erinnerungen aufbrechen und Unsagbares ans Licht holen: Die aus dem Leben gegriffenen Erzählungen bedienen die großen literarischen Themen Liebe und Tod

Barbara Frischmuth: Bindungen und andere Erzählungen. Residenz, 176 S., 19,90 Euro

Die Wirklichkeit ist immer wieder ein Experiment: Frischmuth nähert sich einfühlsam den Schwierigkeiten und Mühen des menschlichen Zusammenlebens.

Rainer Handl: Der Reiher und andere Erzählungen. Bibliothek der Provinz, 184 S., 18 Euro

Handls Protagonisten stehen an entscheidenden Wendepunkten im Leben, ob sie nach einer Höllenfahrt auf dem Meer nicht mehr als die zurückkommen, die sie vorher waren oder ob ein Mann einem jungen Mädchen in einem wichtigen Augenblick entgegen ihrer völligen Kopflosigkeit die Würde bewahrt.

Heinrich von Kleist: Das Erdbeben in Chili und andere Erzählungen (Das Bettelweib von Locarno / Die heilige Cäcilie oder Die Gewalt der Musik). Hamburger Lesehefte, 32 S., 1 Euro

Die Rettung der beiden Protagonisten aus dem Gefängnis führt zu einer Katastrophe, die mehreren Menschen das Leben kostet.

Ernst Kreuder: Erzählungen. Wallstein, Oktober, 600 S., 32 Euro

Die Ausgabe vereint Geschichten des Büchner-Preisträgers aus fast 50 Jahren und zeigt sein Talent für die short story, für Grotesken, gespenstische Szenen und jähe Volten.

Hassouna Mosbahi: Der grüne Esel. Tunesische Erzählungen. A1, 28. August, 178 S., 17,90 Euro

In phantastischen Erzählwelten zwischen Orient und Okzident beschwört Mosbahi die Fata Morgana seiner Kindheit in einem abgeschiedenen Dorf in den kargen Bergen Tunesiens und erzählt von den Sehnsüchten und Nöten des Heranwachsenden, den skurril-liebenswerten Menschen, despotischen Machtstrukturen, Rückständigkeit und Opportunismus.

Werner von Mutzenbecher: Jonathan träumt und andere Erzählungen. Stroemfeld, November, 180 S., 19,80 Euro

Momentaufnahmen und Stimmungsbilder: Dem Wanderer und Beobachter Jonathan begegnen die unterschiedlichsten Dinge und Lebewesen, zu denen er sich in Beziehung setzt.

V.S.Naipaul: In einem freien Land. S. Fischer, 336 S., 10,99 Euro

Mit einem feinen Gespür für die unfreiwillige Komik menschlicher Schicksale erzählt der Nobelpreisträger in fünf Geschichten von Menschen, die ihre Wurzeln verloren haben.

Sergio Pitol: Drosseln begraben. Die schönsten Erzählungen. Wagenbach, 160 S., 19,90 Euro

Erstmals auf Deutsch: Sergio Pitols beste Erzählungen aus fünf Jahrzehnten.

J. D. Salinger: Neun Erzählungen. Rowohlt, 224 S., 9,99 Euro

Außenseiter und Verstörte, Einzelgänger und Mitglieder der aus „Franny und Zooey“ vertrauten Glass-Familie bevölkern diese Geschichten. Vor allem Kinder: frühreife und altkluge, weise und naseweise, deren Anderssein und Eigensinn Salinger schildert.

Ulrich Schacht: Kleine Paradiese. Edition Rugerup, 190 S., 17,90 Euro

Ob im ländlichen Schweden, Venedig, Moskau oder Paris: Schachts Protagonisten versuchen, das Glück zu finden, immer wieder erschüttern zwischenmenschliche Dramen die beruhigten Fassaden und naturschönen Szenerien.

Warlam Schalamow: Künstler der Schaufel. Erzählungen aus Kolyma 3. Matthes & Seitz, 604 S., 29,90 Euro

Der 1929 wegen „konterrevolutionärer Agitation“ zum Lager im Ural verurteilte und 1937 zum zweiten Mal in die sibirische Kolyma-Region deportierte Schalamow beschreibt das Leben und all die Grausamkeiten in Eiseskälte ohne moralische Wertung; sie erscheinen dem Leser fast dystopisch.

Bruno Schulz: Das Sanatorium zur Sanduhr. Dtv, 368 S., 12,90 Euro

Schulz betrachtet Ereignisse, die keinen eigenen Platz in der Zeit haben, betrachtet die verrinnende, stagnierende, wuchernde und sich verästelnde Zeit. Groteske Gestalten gewähren Einblick in ein fantastisches Universum von Jahreszeiten, Gerüchen, Licht und zarter Erotik.

Dorian Steinhoff: Das Licht der Flammen auf unseren Gesichtern. Mairisch Verlag, Oktober, 144 S., 16,90 Euro

Der Zufall entscheidet über viele Lebenssituationen, Menschen geraten ohne eigene Schuld und ohne eigenes Zutun in Schlamassel und Zwangslagen und doch gibt es immer wieder diesen Moment, in dem man den Lauf der Dinge hätte beeinflussen können, sodass alles hätte gut werden können. Die sieben Erzählungen gehen der Frage nach, wie wir eigentlich unser Leben bestimmen.

Alfonsina Storni: Cuca. Erzählungen, Kolumnen, Provokationen. Limmat, 240 S., 29,80 Euro

Erstmals auf Deutsch erscheinen die Erzählungen, Kolumnen, Essays und Gedichte eine der Wegbereiterinnen der lateinamerikanischen Literatur in Argentinien. 20 Jahre lang schrieb Storni für Wochenzeitschriften und Zeitungen, beobachtete die Menschen im Großstadtdschungel, beim Flanieren, Shoppen, beim Tango und der Arbeit.

Claire Vaye Watkins: Geister, Cowboys. Stories. Ullstein, 304 S., 9,99 Euro, Februar 2014

Zehn Geschichten in der Landschaft Nevadas, der Wüste, der Glitzerhölle von Las Vegas und entlegenen Geisterstädten, über Menschen in existenziellen Situationen, Verlassenden und Zurückgelassenen, Suchenden und Verfolgten.

Lucy Wood: Der Friedhof der Riesen. Berlin Verlag, 272 S., 18,99 Euro

Zwölf teils unheimliche, teils tröstliche Erzählungen wie die von Menschen, denen bei jedem Schritt Wasser aus den Stiefeln schwappt.