"Des Hohns aus Digitalien überdrüssig"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Die Interview-Reihe auf SteglitzMind sorgt für Zündstoff. Martina Bergmann gehört zu den befragten Buchhändlern - und hat die Diskussion verfolgt. Ihre Idee vom Buchhandel der Zukunft: Lektüre, Kompetenz und Umgangsformen.

Buchhändler sollen Geschäfte machen. Das Angebot, sich in einem viel gelesenen Blog vorzustellen, konnte man deswegen kaum ausschlagen. Gesine von Prittwitz, eine erfahrene PR-Frau aus der Berliner Verlagsszene, fragt und die Buchhändler antworten. Wie ist die Zukunft des Sortimentsbuchhandels? Das Meinungsspektrum reicht von Horrorszenarien bis hin zur rückwärtsgewandten Utopie. Dieser Diskussion eine Plattform zu bieten, sichert auch der virtuellen Gastgeberin Aufmerksamkeit. Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten.

Soweit ich sehe, war der Austausch unter Kollegen freundlich. Wir sind uns in den groben Linien einig: Als Einzelhändler sein Auskommen zu haben, erfordert heute Flexibilität und gute Nerven. Die Wende vom rein stationären Geschäft zum Multichannel-Handel verlangt Investitionen, die für einzelne schwer realisierbar sind – gerade in mageren Zeiten. Wir sind uns nicht zuletzt darin einig, dass wir des Hohns aus Digitalien überdrüssig sind.

Kaum anders zu erwarten, gab es zügig erste böse Kommentare. Ja, einige Buchhandlungen sind Dunkelkammern, wo sich außer den Staubflocken nicht mehr viel bewegt. Und nein, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Qualifikation manch eines Mitarbeiters im Verkauf erweiterungsbedürftig ist. Drittens teile ich die Kritik vieler Beobachter an allzu versunkener Nabelschau. Mit denen, die mein ökonomisches Auskommen mit organisieren, bin ich einig, dass ein dauerhaft defizitäres Unternehmen keine Existenzberechtigung hat.

Wen brauche ich, neben Kunden? Ein loyales Barsortiment in erster Linie, und dann Verlage. Unser Steuerberater ist wichtig, Geschäftspartner am Ort, aber auch viele neue Marktteilnehmer. Ich hatte weder die Anbieter von Shop-Software noch Mediengestalter auf meiner Agenda, als ich anfing. Ich hatte auch ein bisschen vergessen, dass Verlage nicht zwangsläufig große Firmen sind, bei denen ich mir etwas wünschen kann fast nach Belieben. Und dass Autoren durch die sozialen Netzwerke so nah gekommen sind: Weder Segen noch Fluch – Tatsache! Man kann daraus viel machen, nicht zuletzt PR.

Ich sehe die Zukunft des stationären Sortiments in der Rückbesinnung auf Tugenden, die es bei keiner Bank und Genossenschaft zu kaufen gibt: Lektüre, Kompetenz und Umgangsformen. Das ist beruhigend für alle, die ihren Beruf so ernst nehmen, dass sie den Wandel als Herausforderung begreifen. Die anderen, die Camps und Crowds für eine bessere Realität halten – Sie kommen mir manchmal vor wie Werktätige der digitalen Planwirtschaft. Und da ist der Lehrmeister die Zeitgeschichte. Was soll ich sagen.

Die Kollegen Sortimenter kenn ich nicht als Kleinigkeitenkrämer. Sie würden sicherlich ihr Händlerwissen, ihre Personalkompetenz, auch Textgeschmack und Kreativerfahrung teilen. Sie würden tauschen – Meine Erfahrung gegen Deine Aufgeschlossenheit. Aber uns dafür zu verhöhnen, dass wir auf unsere Weise Gegenwart und Zukunft erschließen: Das ist keine Gesprächsgrundlage. Das haben wir nicht nötig, und dagegen steh ich auf. Mit vielen anderen, wie ich zuverlässig weiß. Denn wir reden auch sonst miteinander. In echt.