Das LCB feiert seinen 50. Geburtstag

Diskokugel am Kronleuchter

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Das Literarische Colloquium Berlin (LCB) feierte am Freitagabend (24. Mai) mit zahlreichen Gästen, darunter viele Autoren, sein 50-jähriges Jubiläum. Hanser-Verleger Michael Krüger wünschte der renommierten Institution in seiner Festrede "eine triumphale Zukunft".

Das kleine, schöne Büchlein "S-Bahn nach Arkadien", das zum Jubiläum des Literarischen Colloquiums Berlin gerade noch rechtzeitig aus der Druckerei gekommen war, ist voll von hinreißenden Autorenfotos, allesamt Momentaufnahmen vom Haus am Wannsee, eingefangen von Renate von Mangoldt und Tobias Bohm. Man meint, es gibt keinen, der nicht wenigstens für einen Abend sich hier einmal die Luft um den Kopf hat wehen lassen. Nun waren sie zum Jubiläumsfest am Freitagabend nach Arkadien gekommen: Judith Hermann und Jan Peter Bremer, Michael Lentz ebenso wie wie Thomas Meinecke, Judith Schalansky und Hans Christoph Buch.

Abgelichtet ist in dem Band auch der erste Hausherr des LCB: Walter Höllerer sitzt mit dicker Jacke und verschmitzt grinsend ziemlich hoch auf den Ästen eines mächtigen Baumes. Ein Phantast, sei Höllerer gewesen, der mit "dampfmaschinenhaftem Tatendrang" zu Beginn der 60er Jahre das LCB zum literarischen Zentrum eines Landes werden ließ, rühmte Ingo Fessmann, Vorsitzender des Trägervereins beim Fest zum 50jährigen Jubiläum des Hauses. Blättert man weiter in dem Band, stößt man bald auch auf ein Bild von Höllerers Nachfolger: Ulrich Janetzki, lässig mit Zigarette im Mundwinkel, mit ihm am Tisch Peter Bichsel und Günter Grass. Janetzki habe das Haus während 27 Jahren gezielt zum über Berlin hinauswirkenden Institut gemacht, nicht zuletzt durch die nach dem Vorbild der Autorenworkshops etablierten Angebote für Übersetzer.

Sein Nachfolger wird zum Jahreswechsel der Sohn des Gründers: Florian Höllerer, derzeit noch Chef des Literaturhauses in Stuttgart, war auch nach Berlin gekommen. Diesmal zählte er noch zu den Eingeladenen, die Rolle des Gastgebers übernimmt er erst am 1. Januar 2014. Die Fotos, zumal der beiden Geschäftsleiter, verraten einiges über die einnehmende Gastlichkeit und besondere Atmosphäre dieses Ortes, der wie Fessmann meint, zum "Prototypen" für Literaturhäuser und Festivals im ganzen Land geworden ist.

 

Bevor mit Hilfe einer Stehleiter am großen Kronleuchter eine Diskokugel befestigt wurde und das DJ-Duo Tigeress die Regie übernahm, erzählte Hanser-Verleger Michael Krüger in der anrührend schönen Festrede von seiner Kindheit in Berlin. Der Schulweg habe ihn stets an der Villa am Wannsee vorbeigeführt, die seinerzeit jedoch noch nicht zur Bühne der Literatur geworden war. Man hätte Krüger gern noch länger zuhören mögen, wie er etwa von seiner frühen Hingezogenheit zur französischen Literatur sprach, entscheidend beflügelt durch eine Austauschschülerin aus Dijon − "alles viel unschuldiger als Sie denken mögen": "Wir setzten uns unterm Vollmond unten am See ins Gras und lasen uns zweisprachig Gedichte vor: Baudelaire, Verlaine, Rimbaud." Doch fast ein Lebensalter später ist die schöne Hingabe getrübt: "Ich weiß nicht, was aus der Literatur werden wird. Je länger ich darüber nachdenke, desto unklarer wird das Bild."  Unversehens wandelte sich Krügers Festrede peu à peu beinah zu einer Trauerrede; wäre da nicht das Trotzdem des Verlegers und Autors gewesen, was sich vielleicht am kürzesten mit den Worten umschreiben ließe: Wir müssen trotzdem weiter unseren Job machen. Dem LCB jedenfalls wünschte Krüger am Ende "eine triumphale Zukunft" − und wurde heftig beklatscht.

Holger Heimann