Gastspiel von Nicole Roussey zur Kalenderproduktion

Wirbelstürme erwünscht

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Kalender leben von Kontinuität. Und von neuen, kreativen Ideen. Wie die generiert werden, erklärt Nicole Roussey, Verlagsleitung Ackermann, am Beispiel ihres Hauses.

März 2013. Unser Lager ist leer. In den großen Hallen ist nichts mehr, nur ein paar leere Drehständer, vereinsamte Kalendergitter und eine Handvoll Inbusschlüssel sind uns geblieben. Kalender haben nämlich − anders als die anderen Verlagsprodukte − ein extrem augenfällig aufgedrucktes Verfallsdatum. Für uns heißt das regelmäßig einmal im Jahr: Alles muss komplett neu gemacht werden.

Das Verlagsteam sitzt dann wieder vor dem berühmten weißen Blatt − in unserem Fall vor exakt 1.764 weißen Blättern, denn 146 Kalender sind neu zu bebildern, wobei viele Themen auch komplett ersetzt werden. Eine Backlist im Sinne der Buchverlage gibt es nicht, selbst bei den absoluten Klassikern werden selbstverständlich keine Bilder wiederholt.

Ehrlich gesagt: In diesen Momenten machen wir uns schon manchmal Sorgen, ob wir alle diese leeren Seiten wieder füllen können und dabei unseren Ansprüchen und denen unserer Kunden wieder genügen werden. Gut möglich aber auch, dass genau darin der Reiz an der Arbeit in einem Kalenderverlag steckt.

Zwei Fragen wurden mir in den vergangenen Jahren bei Ackermann wiederholt gestellt: "Finden Sie Jahr für Jahr neue Ideen?" und "Können Sie Neues auch verkaufen?" Klare Antwort: Zweimal ja! Wir leben von neuen Ideen und sie verkaufen sich auch. Nicht alle, das muss ich zugeben. Manchmal springt der Funke nicht über. Aber wie entsteht überhaupt Neues und welche Rolle spielt dabei die vielbeschworene Kreativität?

Kreativität bedeutet zuerst einmal, dass man eine mehr oder weniger lange Phase der Leere ertragen können muss. Die vielen weißen Seiten füllen sich weder auf Kommando noch auf Knopfdruck. Also gilt es, sich Stück für Stück an das Gesamtkonzept des Kalenderprogramms heranzu­tasten − zum Glück haben wir dafür ein Jahr lang Zeit und das Programm kann langsam Titel um Titel wachsen. Während wir schon früh anfangen, Vorjahres-klassiker zu bebildern, kreisen die Gedanken im Hintergrund ständig um neue Ansätze. Ideen werden ausgetauscht, verworfen oder weiterentwickelt und bleiben zwischendurch auch mal für ein paar Wochen liegen. Wir sichten den unverzichtbaren Kreativ-Input von Künstlern und Fotografen, lassen uns aber auch von persönlichen Erfahrungen und Alltagseindrücken inspirieren − darunter sehr viele, die mit dem Kalendermachen eigentlich gar nichts zu tun haben.

Was jetzt noch fehlt, ist ein kleiner gedanklicher Wirbelsturm und die bereits vorhandenen Elemente formieren sich zu etwas Neuem. Manchmal kommt es vor, dass wir ein wenig übers Ziel hinausschießen, denn Kreativität lebt nicht nur von Querdenken, sondern auch von großer Leidenschaft. Wie kreativ wir sein können und dürfen, bestimmen am Ende nicht wir selbst, sondern in erster Linie der Markt und die Käufer unserer Produkte − deshalb erlebt leider auch nur der kleinste Teil unserer Ideen eine Veröffentlichung.

Ob das, was wir für 2014 zusammengestellt haben, beim Handel und den Endkunden gut ankommen wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Sicher sind aber zwei Dinge: Wir arbeiten bereits jetzt an Neuentwicklungen für 2015, die unser Lager bis Mai nächsten Jahres unter Garantie wieder prall füllen werden − und ist das vollbracht, geht unser Kalenderjahr auch schon wieder von vorn los.

Weiteres zum Thema Kalender lesen Sie in unserem Börsenblatt Spezial Kalender (Heft 20), das am 16. Mai erschienen ist.