CDU/CSU-Soiree

Hohelied und Schwanengesang des Papierbuchs

20. Juli 2015
von Holger Heimann
"Elend im Buchhandel", "populistische Schwärmereien" und Deutschlands Buchhandel als Utopia: Auf  Einladung der CDU/CSU diskutierten am 24. April  im Bundestag Politiker und Branchengrößen den Wandel der Buchkultur.

Es hätte alles so schön schwelgerisch weitergehen können am gestrigen Abend im Bundestag. Die CDU/CSU-Fraktion hatte eingeladen zum Nachdenken über „die Zukunft des Buches im digitalen Zeitalter“. Die Überschrift war als Frage formuliert: „Das Gedruckte nur noch etwas für Nostalgiker?“ „Nein, nein“, beeilte man sich zu versichern. Die Politiker Wolfgang Börnsen und Volker Kauder schwärmten von ihrer Liebe zum gedruckten Buch und zur deutschen Sprache, Dussmann-Geschäftsführerin Julia Claren formulierte: „Ein Buch ist nur dann ein wirkliches Buch, wenn es gebunden ist.“ Und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar bestritt gar den Warencharakter des Gedruckten: „Das Buch ist kein Produkt. Wir müssen es aus der ökonomischen Terminologie lösen.“

Dass ein Unternehmen, welches Bücher herstellt und vertreibt, in dem Fall rasch Konkurs anmelden müsste, mag da den beiden Verlegern in der Diskussionsrunde durch den Kopf gegangen sein. Das „Hohelied des Buches“ zu intonieren, sei zu wenig, befand Kiepenheuer & Witsch-Chef Helge Malchow. Und Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder warnte vor eher "populistischer" Schwärmerei..

Immerhin verlagerte sich die Diskussion dann doch zum Praktischen. Das Papierbuch dürfe nicht durch rein marktwirtschaftliche Logik an den Rand gedrängt werden, sagte Malchow, hob aber zugleich die „grandiosen Möglichkeiten der Digitalisierung“ hervor. Voller Hochachtung blickten Verleger aus anderen Ländern nach Deutschland – der hiesige Buchmarkt sei ihnen nicht weniger als ein utopischer Maßstab. „Wir sollten unser Netz aus Buchhandlungen und Verlagen als UNESCO-Kulturgut schützen lassen“, prägte Malchow den forschesten Satz des Abends.

Ist der stationäre Buchhandel eine vom Aussterben bedrohte Art? Während Honnefelder einen neuen Optimismus vor allem unter Neugründern zu entdecken meint, hat der Journalist und Autor Dirk Kurbjuweit auf Lesereisen „ein großes Elend erlebt“. Das Buch werde überleben, glaubt er, „die Buchhandlung eventuell nicht“.

Malchow, von Grund auf Optimist, glaubt, dass sich Wege für das Überleben finden lassen. Die deutsche Politik sei aufgefordert, ein anderes Modell zu entwickeln als das der angloamerikanischen Kultur. Sein Vorschlag: ein europäisches Bündnis für eine übergreifende E-Book-Preisbindung. Die Schriftstellerin Julia Franck will eine europäische E-Book-Handelsunion etablieren.

Damit war die konkreteste Idee des Abends formuliert. Dagmar Wöhrl war das zu wenig: „Ich habe mir mehr Vorschläge erhofft“, sagte die Politikerin. Will man dies versöhnlich interpretieren, dann war es weniger ein Affront, sondern eine Einladung zur Fortsetzung des Gesprächs.