Publishers‘ Forum: Workshop E-Typografie

Unschöne neue Welt

20. Juli 2015
von Torsten Casimir
Warum wird ästhetisch anspruchsvolle Gestaltung oft noch für ein Reservat physischer Buchproduktion gehalten? Reden wir mal über „E-Typografie“.

Mit diesem Begriff war ein soeben zu Ende gegangener Workshop auf dem 10. Publishers‘ Forum in Berlin betitelt. Der Mainzer Verleger und Buchgestalter Bertram Schmidt-Friderichs (Verlag Hermann Schmidt) eröffnete gleich mit belebenden Provokationen: „Neue Technik kostet immer erst mal Ästhetik.“ Die Branche befinde sich in einer „Übergangssituation“. Man solle jedenfalls „IT-Menschen besser keine Gestaltung machen lassen“, stellte Schmidt-Friderichs klar.

Und konstatierte, dass wir heute zwar zunehmend viel Text auf elektronischem Weg lesen, im seltsamen Kontrast dazu jedoch verlagsseitig wenig Mühe und Expertise darauf verwendet wird, dass das E-Lesen zu einer schönen Erfahrung werden kann. Infolgedessen entstehe allerlei Grauenhaftes. „Aber es scheint: Keiner merkt’s. Und es tut den Leuten offenbar nicht weh.“ Nach Ansicht von Schmidt-Friderichs sei nun ein guter Zeitpunkt gekommen, Typografie als Qualitätskriterium auch für elektronische Lektüre zu behaupten und zu etablieren.

Die sich anschließende, intensive Diskussion zwischen Typografen, Gestaltern, Herstellern und Beratern zeigte allerdings schnell: So wünschenswert die Ästhetisierung des E-Readings sein mag – in der Realität stehen ihr vorläufig ein paar Hürden im Weg. Zum Beispiel das Problem der Fokussierung: Bei zwei bis drei Millionen E-Readern, mehr als 16 Millionen Smartphones und etwa sieben Millionen Tablets auf dem deutschen Markt stellt sich dem E-Book-Produzenten die Frage: Für welche Gerätetypen soll ich eigentlich in Zukunft meine E-Books gestalten?

Die hohe Vielfalt der Ausgabegeräte erzwinge ein komplexes Anforderungsmanagement, darüber waren sich die Workshop-Teilnehmer in Berlin weitgehend einig. Aber auch darin, dass die zum Teil erheblichen Aufwände, die getrieben werden müssten, die bisher noch labile Wirtschaftlichkeit des E-Book-Geschäfts zusätzlich beeinträchtigen würde. „Wir können schon vieles machen, aber es macht kaum einer. Warum nicht? Weil es Zeit und Geld kosten würde und wir mit E-Books ohnehin noch nicht viel verdienen“, so brachte einer das Dilemma auf den Punkt.

Kontrovers wurde deshalb die Grundsatzfrage diskutiert: Reicht es hin, etwas einigermaßen Ordentliches zu gestalten (pragmatisch im Sinne von „good enough“)? Oder sollte es doch etwas besonders Schönes sein? Durchaus ambivalent waren dabei die berichteten, eigenen Leseerfahrungen. Während die einen Typografie auf Readern eher als „schmückendes Beiwerk“ ansehen, ist sie für andere die Chance, auch dort für Leserlichkeit und Wohlempfinden zu sorgen.

Nach Überzeugung des Workshop-Leiters Schmidt-Friderichs wird sich gestalterische Qualität und Ästhetik auf dem E-Book-Markt dann einstellen, wenn sie entschieden nachgefragt wird. „Der Anspruch, beim Lesen auch an Bildschirmen Spaß zu haben, muss graswurzelmäßig von unten kommen.